Zuletzt aktualisiert am 12. September 2023 um 13:06
Von Hamburg aus ist es nur ein Katzensprung nach Husum, die Stadt mit der hübschen Hafenpromenade, dem nah gelegenen Wattenmeer und den Deichen, auf denen Schafe grasen. Wer hier ankommt, stellt schnell fest: In Husum ticken die Uhren anders, und Klönschnack ist fast immer drin.
Husum ist nicht Hamburg.
Keine sehr geistreiche Feststellung, zugegeben. Husum hat knapp 24.000 Einwohner und ist schon allein deshalb kaum mit der 160 Kilometer entfernten Großstadt mit ihren 1,8 Millionen Menschen zu vergleichen. Und doch schiebt sich der Gedanke bei meinem Besuch an der Nordsee immer wieder in meinen Kopf.
Das Besondere an Husum: Hier wohnt die Ruhe selbst
Von Hamburg aus haben mein Mann und ich uns für das Pfingstwochenende auf den Weg nach Nordfriesland gemacht. Nicht mal zwei Stunden dauert die Zugfahrt mit dem RE 6 von Altona nach Husum. Man hätte schon viel früher mal herkommen können, sind wir uns einig, als wir am späten Nachmittag zum ersten Mal am Binnenhafen entlangspazieren und die Husumer Au überqueren. Auf der Seite mit den Restaurants und Geschäften verlässt man die kleine Brücke auf Höhe des Husumer Speichers, früher ein Getreidelager, heute ein Kulturzentrum. Links und rechts neben dem Eingang hängen Veranstaltungshinweise, heute Abend ist hier Indie Night. Neben uns lehnt ein Mann auf einer Bank mit dem Rücken am Gebäude. Er erzählt uns ungezwungen, dass die Indie Night früher woanders stattfand und erst seit Kurzem im Speicher steigt, und dass es heute Abend sicher voll wird. „Na denn, bis später vielleicht!“
Kein Vorkommnis, nein, aber in Husum erleben wir das ständig: Menschen sprechen uns unvermittelt an und nehmen sich Zeit für einen Plausch – der Mitarbeiter im Supermarkt, der Fischbrötchenverkäufer, die Frauen an der Kinokasse. Das ist das Besondere an Husum: Anders als in Hamburg wirkt niemand gestresst oder gehetzt, niemand genervt von den Touristen. Ein kurzer Schnack, ein paar mehr Worte als nur die unbedingt nötigen, das ist in dieser Stadt am Meer anscheinend ganz normal.
Liegt es nur daran, dass die Uhren hier so langsam ticken? Ruhe, Weite und Gemächlichkeit findet man in „Hüsem” - so der friesische Name der Hafenstadt, der auch auf den Verkehrsschildern steht – jedenfalls ganz leicht. Zum Beispiel, wenn man mit dem Fahrrad immer am Wasser entlang in den Ortsteil Schobüll fährt, den einzigen deichfreien Abschnitt der ganzen schleswig-holsteinischen Festlandküste. Ohne Deich vor der Nase hat man hier den besten Nordseeblick. Und die Einheimischen fahren gern zum Baden an den Naturstand nach Schobüll, hat uns ein Husumer verraten. Da wollen wir hin, auch wenn es zum Baden noch zu kalt ist.
Mit dem Fahrrad von Husum nach Schobüll
„Wir haben aber keine E-Bikes“, sagt der Rezeptionist in unserem Hotel entschuldigend, als wir ihn nach Leihfahrrädern fragen. Stört uns nicht, wir kennen es ja nicht anders. Und sind am nächsten Vormittag die Einzigen, die die Straße von der Husumer Altstadt in Richtung Meer nicht motorisiert entlangstrampeln, während rüstige Omas und Opas in Windjacken mühelos an uns vorbei schießen. Zum Glück hält sich der Wind in Grenzen, und eilig haben wir es auch nicht.
Als wir die Küste erreichen, herrscht Ebbe. Zur Linken liegt das Watt mit ein paar schimmernden Pfützen auf dem Schlick, zur Rechten der grüne Deich. Wir fahren vorbei an der „Badestelle am Dockkoog“ mit ihren Strandkörben und halten kurz an einer Kunstinstallation: waagerecht flatternde Jeansbuchsen, die am oberen Ende von Metallstelen befestigt sind – die „Windhosen“ von Husum. Wenig später grasen Schafe auf den Wiesen links und rechts von uns oder trotten ungerührt über den asphaltierten Weg. Die alten Böcke blöken tief und dröhnend, die Lämmer hell und blechern, vom Fahrrad aus blöke ich zurück, weiß auch nicht, muss so eine Art Reflex sein.
Am Wattenmeer klingt es wie mitten im Wald
Noch vor der Seebrücke in Schobüll folgen wir einem Feldweg Richtung Ufer und setzen uns auf eine Bank. Der Wind geht sachte durch das Schilf, neben uns grasen Pferde und Fohlen auf einer Koppel, und überall um uns herum singen, tschilpen, trillern Vögel, als säßen wir mitten im Wald und nicht an der Nordseeküste. Dass am Wattenmeer nicht nur Möwen, sondern mehr als 400 Vogelarten zu finden sind, dass hier im Frühjahr und im Herbst Millionen Zugvögel rasten und sich für den Weiterflug stärken, wusste ich offen gestanden nicht. In Husum gibt es regelmäßige Führungen durch die Vogelwelt am Wattenmeer, und den Geräuschen nach zu urteilen, bekommt man dabei sicher unzählige Tiere vor die Linse.
Wir radeln dieselbe Strecke zurück in die Stadt. Die See ist inzwischen zurückgekehrt, kleine Wellen schwappen ans Ufer. Faszinierend, diese Gezeiten. Was ich – es ist mir etwas peinlich – auch nicht wusste: Die Zeiten für Ebbe und Flut verschieben sich deutlich von Tag zu Tag und nicht etwa von Jahreszeit zu Jahreszeit. Wer wissen will, wann das Wasser kommt und wann genug zum Baden da ist, guckt vorher besser nach, um nicht im Bikini auf dem Trockenen zu sitzen. Zur besten Badezeit gibt es übrigens eine Faustregel: Zwei Stunden vor und zwei Stunden nach dem Hochwasser ist das Schwimmen in der Nordsee möglich. In den Lobbys vieler Hotels hängt ein Tidekalender, auch die Tourist-Infos entlang der Küste halten eine Übersicht bereit. Man kann die Zeiten für Hoch- und Niedrigwasser natürlich auch online nachschauen. Oder man macht sich mithilfe der Foto-Webcam, die alle paar Minuten den Blick auf das Husumer Hafenbecken und auf das Meer an der „Badestelle am Dockkoog“einfängt, ein Bild von der Lage.
Die Altstadt ist alles andere als grau
Auf dem Rückweg kommen wir einmal mehr am „Haus der Fotografie“ am Husumer Außenhafen vorbei – ein Museum für zeitgenössische Fotografie, das wir bestimmt besuchen würden, wenn wir mehr Zeit hätten und wenn das Wetter nicht so schön wäre. Es gibt in Husum außerdem ein Schiffahrtsmuseum, ein Nordfriesland-Museum, das Weihnachtshaus mit historischem Laden, das Poppenspäler-Museum im „Schloss vor Husum“ und das Freilichtmuseum „Ostenfelder Bauernhaus“. Dazu eines, das dem berühmtesten Sohn der Stadt gewidmet ist: Theodor Storm, dem Autor der Novelle „Der Schimmelreiter“, die 1888 erschien und die ich in der Schule gelesen habe. Im Storm-Haus, einem alten Kaufmannshaus in der Wasserreihe 31, hat der Dichter von 1866 bis 1880 selbst gelebt und gearbeitet. Treppenhaus, Flure, Decken und Türen sind bis heute erhalten, hier stehen auch ein Biedermeier-Sofa, auf dem Storm oft saß, und der Schreibtisch, an dem er seine berühmte Novelle vollendete. An die Lebensgeschichte von Hauke Haien, der Hauptfigur aus dem „Schimmelreiter“, kann ich mich zwar kaum erinnern, aber seit der Schulzeit hatte ich dank der Pflichtlektüre jedes Mal einen Reiter, der mit seinem Pferd über einen Deich prescht, vor Augen, wann immer von Husum die Rede war.
Theodor Storm hat Husum auch den Beinamen „Die graue Stadt am Meer“ verpasst. In seinem Gedicht „Die Stadt“ hat er seinen Geburtsort so genannt, aber „grau“ ist er an diesem Wochenende im Mai nun wirklich nicht. Vor dem „Schloss vor Husum“ erstreckt sich ein einladender Park, auf dessen Wiesen sich im Frühjahr lila Decken aus Krokussen ausbreiten, immer wieder biegt man in Kopfsteinpflasterstraßen mit schnieken Hausfassaden ein und flaniert an den bunten Gebäuden am Hafen vorbei.
Diesen Hafen laufen wir öfter auf und ab. Wir sehen ihn häufiger ohne als mit Wasser und fotografieren ein auf dem moddrigen Grund liegendes Boot. An unserem letzten Vormittag am Feiertagswochenende füllt sich die Promenade schon früh mit Menschen und das Hafenbecken mit immer mehr Wasser. Wir wollen dasselbe Boot noch einmal an derselben Stelle fotografieren. Kein Problem, wir finden sofort einen freien Tisch vor einer Eisdiele direkt an der Ufermauer. Alles ganz entspannt, kein Geschiebe, kein Gedränge. Am Elbstrand in Hamburg hätten wir wahrscheinlich nicht so schnell einen Tisch bekommen. Aber Husum ist ja auch nicht Hamburg.
Husum: Noch mehr Tipps für die Stadt an der Nordsee
- Hausgebackenen Kuchen, zum Beispiel Eierlikörtorte oder Apfelkuchen, bekommt man in „Jacquelines Café“ im Schlossgang 12, einer hübschen Gasse in der Nähe des Schlosses. Es gibt bei Jacqueline auch eine große Frühstückskarte.
- Donnerstags und samstags findet der Wochenmarkt auf dem Marktplatz in Husum statt – der größte in Nordfriesland. Jeden Donnerstag um 10 Uhr gibt es traditionell eine Marktandacht in der Stadtkirche St. Marien direkt am Marktplatz.
- Eine Besonderheit in Husum und ein Geheimtipp nicht nur für Regentage: Das „Kino Center Husum“ (Neustadt 14). Von außen eher unscheinbar beherbergt der Familienbetrieb in dritter Generation acht Kinosäle – und in allen gibt es Bedienung am Platz. An den Vordersitzen ist die Tischreihe angebracht, darauf runde Lämpchen und je ein Bestellknopf. Schick!
- Nach Fischgerichten muss man in Husum natürlich nicht lange suchen. Uns wurden die Fischbrötchen im „Fischhaus Loof“ am Husumer Hafen empfohlen, und die haben wirklich geschmeckt. Man kann dort auch gemütlich draußen in der Nachmittagssonne sitzen.
- Wen es von Husum aus an den Strand zieht, der hat verschiedene Optionen. Ganz nah am Stadtzentrum liegt die „Badestelle Dockkoogspitze“ (auch: „Badestelle am Dockkoog“), hier kann man auch Strandkörbe mieten. Zum Strand in Schobüll, einem Ortsteil im Norden von Husum, sind es fünf Kilometer. Südwestlich liegt der Strand Lundenbergsand in Simonsberg. Achtung, hier teilt man sich die Liegewiese am Deich mit den Schafen. Auch auf auf der 14 Kilometer entfernten, eingedeichten Halbinsel Nordstrand gibt es Badestellen. Wichtig zu wissen: Es handelt sich bei allen genannten um Grünstrände, nicht um Sandstrände. Alle Badestellen entlang der Festland-Nordseeküste in Schleswig-Holstein sind Grünstrände, einen Nordseestrand mit Sand gibt es auf dem Festland nur in Sankt Peter-Ording. Wer bei seinem Besuch an der Nordsee also die Füße in den Sand stecken möchte, muss entweder auf die nordfriesischen Inseln reisen oder die Fahrt ins ca. 44 Kilometer südwestlich gelegene Seebad Sankt Peter-Ording mit seinem zwölf Kilometer langen und bis zu zwei Kilometer breiten Sandstrand auf sich nehmen.
- Voll wird es in Husum immer im August bei den Husumer Hafentagen, dem größten maritimen Volksfest an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste mit Streetfood, Live-Musik und Kunsthandwerker-Markt.
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