Bücher, Blogs und Filme Dänemark Europa Reisen und Orte Schweden

Die Öresundbrücke: Auf den Spuren von Saga Norén

1. Januar 2023
Saga Norén in der letzten Folge von "Die Brücke" auf der Öresundbrücke, © Edel:Motion

Zuletzt aktualisiert am 10. September 2023 um 19:42

Ist je eine Brücke faszinierender inszeniert worden als in der dänisch-schwedischen Krimi-Serie „Die Brücke“? Die titelgebende Öresundbrücke, die die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit Malmö in Schweden verbindet, hat mich zu einem Ausflug inspiriert. 


Bei Netflix kann man die Intros von Serien überspringen. Nicht immer mache ich davon Gebrauch: Den Vorspann der Krimi-Serie „Die Brücke“ haben mein Mann und ich Folge für Folge in voller Länge angesehen. Und angehört. Bei jeder Staffel sieht man zu Beginn andere Bilder, aber in allen Intros schwebt die Kamera bei Nacht durch Kopenhagen und Malmö und über die namensgebende Brücke hinweg, die die beiden Städte miteinander verbindet. Dazu erklingt Titelmusik, die so einnehmend, so hypnotisierend, so unwiderstehlich ist, dass man immer wieder aufs Neue gebannt zuhören muss. Abwürgen unmöglich.

Bron / Broen Opening Credits/Scene (Intro) 1080p Full HD

Hollow Talk“ heißt der Song der dänischen Band „Choir Of Young Believers“, der schon 2008, drei Jahre vor dem Start der dänisch-schwedische Serie, veröffentlicht wurde. Die letzte Folge lief 2018, doch bis heute sind alle vier Staffeln von „Die Brücke – Transit in den Tod“ (dänischer Originaltitel: „Broen“, schwedischer Originaltitel: „Bron“) bei Netflix verfügbar. Eine DVD- bzw. Blue-ray-Gesamtbox der 38 Folgen, die vom ZDF mitproduziert wurden, hat Edel Germany herausgegeben. Erst vier Jahre nach der letzten Episode habe ich das Nordic-Noir-Glanzstück entdeckt. Besser spät als nie, denn „Die Brücke“ zählt, obwohl sie so kalt, so farb- und trostlos ist, zu den fesselndsten TV-Geschichten, auf die ich je gestoßen bin.

Hauptfiguren: internationales Ermittler-Duo und die Öresundbrücke

Sie handelt von Morden, die sich im Grenzraum zwischen Dänemark und Schweden abspielen. Teils werden die Leichen direkt an oder auf der Öresundbrücke gefunden, sodass die Polizei beider Länder zuständig ist. Im Original – ich empfehle unbedingt, „Die Brücke“ im Original mit Untertiteln zu schauen! – sprechen die schwedischen Beamten übrigens konsequent Schwedisch und die Dänen Dänisch, wenn sie aufeinandertreffen. Man versteht sich. Sprachinteressiertes Publikum staunt.

Noch faszinierender ist aber die Ermittlerin von schwedischer Seite, die diese Konstellation auf den Plan ruft: Saga Norén von der Kripo Malmö, eine Polizistin, wie es sie kein zweites Mal gibt. Saga, genial gespielt von Sofia Helin, ist ein über die Maßen rationaler und pragmatischer Mensch, häufig ist in ihrer Figurenbeschreibung von „autistischen Zügen“ die Rede. Sie ist unwillens und unfähig, sich auf Gefühligkeiten und Smalltalk einzulassen, Ironie kennt diese hoch fokussierte und kompetente Kriminalbeamtin auch nicht. Sie ist gnadenlos ehrlich, permanent stößt sie Menschen ohne Absicht vor den Kopf. Statistiken und Studien sind ihr Zugriff auf die Welt, sogar ihre eigene Beziehung versucht sie mithilfe wissenschaftlicher Analysen zu verstehen und zu führen. Viel Zeit bleibt ihr für die Liebe ohnehin nicht, denn Saga Norén lebt für ihre Arbeit. Von Staffel zu Staffel scheinen dann aber doch ein paar mehr Gefühlsregungen durch und man erfährt, was diese ungewöhnliche Frau erlebt hat, was sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie ist.

Saga Norén, Hauptfigur der Serie "Die Brücke - Transit in den Tod" © Edel:Motion
Saga Norén, Kripo Malmö: Die Hauptfigur wird von der schwedischen Schauspielerin Sofia Helin gespielt (Foto: © Edel:Motion)

Dieser Ermittlerin folgt man in ihrem 70er-Jahre-Porsche über die Öresundbrücke, auf der neben Autos auch Züge verkehren. Ich habe nicht nur die Serie spät kennen gelernt, auch über ihr titelgebendes Bauwerk wusste ich vorher fast nichts. Schon sein offizieller Name „Øresundsbron“ weist auf die Verbindung der beiden Länder hin, die es verbindet: Er ist eine Kombination der dänischen (Das Ø vorn) und der schwedischen („bron“ für „Brücke“) Schreibweise. Die Überführung ist im Jahr 2000 eröffnet worden. Sie ist insgesamt 7845 Meter lang und damit, so Wikipedia, die weltweit längste Schrägseilbrücke für kombinierten Straßen- und Eisenbahnverkehr.

Szenenfoto aus "Die Brücke" Staffel 2, © Edel:Motion
Szenenfoto aus der zweiten Staffel von „Die Brücke” (Foto: © Edel:Motion)

Zufällig steht ein Besuch bei einer Freundin in Kopenhagen an, kurz nachdem wir die letzte Folge von „Die Brücke“ gesehen haben. Mein Wunsch: ein Tagesausflug nach Malmö, einmal auf den Spuren von Saga Norén über die Öresundbrücke fahren! Die Freundin findet mein Ansinnen erst einmal seltsam. Sie schreibt, die Storebæltsbroen (Storebælt-Brücke oder auch: Großer-Belt-Brücke), die von Seeland nach Fünen führt und damit den östlichen Teil Dänemarks mit dem westlichen verbindet, sei viel spektakulärer und sehenswerter. Nun, das mag sein, aber meine Faszination für die Öresundbrücke ist ja nicht architektonischer Natur, auch wenn es mich durchaus fasziniert, wie der Mensch unter Wasser Pfeiler tief in den Meeresboden rammt und dann riesige Bauteile zu einer kilometerlangen Fahrbahn zusammenfügt.

Mit dem Bus über die Öresundbrücke 

Ich möchte die Brücke sehen, die in einer der besten Krimi-Serie der letzten Jahre eine zentrale Rolle spielt. Zumal sie zwei europäische Länder miteinander verbindet. Wann macht man denn schon mal einen Tagesausflug über Ländergrenzen hinweg, wann reist man schon mal in wenigen Stunden in ein anderes Land mit einer anderen Sprache und wieder zurück, wenn man nicht gerade im Grenzgebiet lebt?

Die Kopenhagener Freundin, die gerade die Fahrerlaubnis gemacht und ein Auto gekauft hat, findet schließlich Gefallen an meinem Vorschlag. In Malmö ist sie selbst noch nie gewesen, wir werden also zusammen in die Stadt – nach Stockholm und Göteborg die drittgrößte in Schweden – in der Provinz Skåne fahren. Es gibt nur ein Problem: Die Überfahrt auf der mautpflichtigen Öresundbrücke ist teuer, 110 Euro (ab 2023 sind es 114 Euro) sind hin und zurück für einen PKW fällig, es sei denn, man fährt die Strecke öfter und ist im Besitz eines Brückenpasses.

Wir verwerfen den Ausflug zunächst und stoßen dann auf eine viel günstigere Alternative: Wir fahren mit dem Flixbus! Das kostet uns hin und zurück 16 Euro pro Person. Einziger Nachteil: Mit der preiswertesten Verbindung brechen wir erst mittags in Kopenhagen auf und kommen am frühen Abend schon wieder zurück. Für einen kurzen Eindruck von Malmö sollte die Zeit trotzdem reichen, denn die Fahrt dauert gerade mal eine Stunde und fünfzehn Minuten und für den Tag ist sowieso Regen angesagt.

Öresundbrücke von der Insel Peberholm aus
Gar nicht so leicht, die Brücke zu fotografieren, während man sie überquert: Die Öresundbrücke von der künstlichen Insel Peberholm aus

Wir steigen also an einem Samstag im Herbst nicht weit vom Kopenhagener Hauptbahnhof in den grünen Bus, der zu Beginn noch ziemlich leer ist. Erst auf der Fahrt bekomme ich mit, dass der Kopenhagener Flughafen auf der Strecke liegt. Die Nähe zum Flughafen, lese ich später, ist der Grund dafür, dass die Öresundverbindung aus Dänemark in Richtung Schweden zunächst unterirdisch verläuft. Am Flughafen macht der Bus einen Stopp und deutlich mehr Fahrgäste steigen zu. Wir verlassen ein paar Minuten später das Festland, aber es geht eben nicht direkt auf die Brücke, sondern erst einmal in den Drogdentunnel, auch Öresundtunnel genannt, hinein. (Zu sehen ist der Tunnel im Intro der dritten Staffel.) Er führt bis zur Insel Peberholm, die man im Zuge des Brückenbaus künstlich angelegt hat – und erst ab dort erstreckt sich die Öresundbrücke vor uns mit ihren massiven Pfeilern, Pylonen und Tragseilen, wie wir sie aus der Serie kennen. Das Wetter ist genauso, wie es vorhergesagt wurde, der Himmel angemessen grau. Natürlich habe ich die Melodie von „Hollow Talk“ im Kopf, während wir an den Pylonen und den dicken, schräg verlaufenden Seilen vorbeifahren.

Öresundbrücke Pylon
Vorbei an den Pylonen der Öresundbrücke, die so oft in der Krimiserie zu sehen sind

Der Bus macht schon kurz nach der Brücke Halt. Wir rechnen damit, aussteigen und unsere Pässe zeigen zu müssen, so wie am Tag zuvor, als wir von Deutschland aus über die dänische Grenze gefahren waren, ebenfalls in einem Flixbus. Diesmal dürfen wir sitzenbleiben. Es will auch niemand unsere Pässe sehen, aber Polizistinnen mit Drogenhunden steigen ein und laufen einmal alle Reihen auf und ab.

Die Brücke“: Drehorte in Malmö

Vom Hauptbahnhof in Malmö laufen wir mit aufgespannten Regenschirmen ins Stadtzentrum, über den Stortorget, den historischen Marktplatz der 344.000-Einwohnerstadt, und von dort durch ein paar hübsche Straßen mit Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäusern. Schließlich landen wir im ältesten Park der Stadt, dem Kungsparken. Hier steht eine Mühle, die „Slottsmöllan“. Erst glaube ich, sie aus dem Serien-Intro zu kennen, diese hier ist aber eine andere. Die Mühle im Vorspann von „Die Brücke“ heißt „Kronetorps Mölla“, sie befindet sich in der Nähe der Ortschaft Arlöv nordöstlich vom Stadtzentrum. 

  • Haus in Malmö
    Fachwerk in der Innenstadt von Malmö

Auf dem Weg zum Park erkennen wir aus der Ferne aber doch noch ein Bauwerk, das auch im Serienvorspann zu sehen ist – den „Turning Torso“, ein 190 Meter hohes Büro- und Wohngebäude mit 54 Etagen, es ist das höchste in ganze Skandinavien. Seine aufeinandergestapelten, gedrehten Würfel sind an diesem Tag aber ganz und gar von Nebel eingehüllt, das obere Ende können wir gar nicht sehen.

Turning Torso in Malmö
Zugegeben: Man sieht ihn nur, wenn man ganz genau hinschaut: Zwischen den Regenschirmen ragt in der Ferne der „Turning Torso” von Malmö in die Höhe. Er ist allerdings von Nebel eingehüllt, man kann nur den unteren Teil erkennen

Hätten wir mehr Zeit und würde es weniger regnen, könnten wir mehr Orte besuchen, an denen „Die Brücke” gedreht wurde: das Polizeipräsidium etwa, in dem Saga arbeitet. Das schmucklose Gebäude in der Barkgatan 11 beherbergt in Wahrheit eine Palliativstation. Oder den Imbiss „Jalla Jalla“ fast nebenan in der Bergsgatan 16, wo Sagas Freund Jakob am Telefon mit ihr Schluss macht. Wir drehen stattdessen um und kehren am Lilla Torg, dem kleineren Marktplatz, ins „Folk å Rock“ ein: Der Laden ist Café und Plattenladen zugleich, regelmäßig gibt es hier auch Konzerte. An diesem verregneten Samstagnachmittag ist das „Folk å Rock“ gut besucht, überall sitzen Menschen zwischen Musikinstrumenten, Aufstellern und Postern von Musikern und Regalen mit CDs und Platten. Im Hintergrund läuft Aretha Franklin und wir essen Zimtschnecken und trinken Rhabarberbrause, während draußen der Regen auf das Kopfsteinpflaster pladdert.

Um 17.30 Uhr fährt der Bus nach Kopenhagen ab. In etwas mehr als einer Stunde sind wir aus Schweden zurück in Dänemark. Und auf der Fahrt, kurz bevor es ab der Insel Peberholm hinab in den Tunnel geht, passiert etwas, womit ich an diesem Tag nicht mehr gerechnet hätte. Etwas, das in der Serie nie vorkommt: Der Himmel reißt auf und die Sonne scheint.

Saga Norén, Martin Rohde, Öresundbrücke © Edel:Motion
Saga Norén (Sofia Helin) und Martin Rohde (Kim Bodnia), ihr dänischer Partner in den ersten beiden Staffeln von „Die Brücke”. Im Hintergrund: die Öresundbrücke (Foto: © Edel:Motion)

Mehr Infos rund um „Die Brücke“ und die Öresundbrücke

  • Man kann die Öresundbrücke auch mit dem Zug überqueren. Die Fahrt von Kopenhagen nach Malmö dauert nur knapp vierzig Minuten. Mit dem Öresundståg („Öresundzug“) kostet das umgerechnet etwa 12 Euro pro Fahrt, Tickets kann man online hier kaufen, an Bord ist es nicht möglich.
  • Eine gute Sicht auf die Brücke hat man von der hübschen Kleinstadt Dragør aus. Sie liegt etwa zwölf Kilometer von Kopenhagen entfernt an der Südspitze der Insel Amager.
  • Wer die Serie noch bei Netflix sehen will, beeilt sich besser. Bislang sind dort alle Staffeln noch zu sehen, sie sollen dort aber bald verschwinden. Aktuell (Stand: Dezember 2022) sind Staffel 3 und 4 auch in der ZDF Mediathek verfügbar.

***


Dir hat dieser Beitrag gefallen? Ich freue mich, wenn du ihn teilst! Wenn du über neue Beiträge informiert werden möchtest, melde dich gern für ein Abo per E‑Mail hier auf der Seite an. 


Kaffeekasse

Tasse im Hotel

Seit 2015 stecke ich Herzblut in diese Seite, die werbefrei ist – und bleiben soll. Wenn dir meine Beiträge gefallen und du mich beim Betrieb des Blogs unterstützen möchtest, würde ich mich riesig über einen virtuellen Kaffee freuen. Einfach hier klicken, dann kommst du zu Paypal. Vielen Dank!

Benachrichtige mich zu:
3 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
Hannelore Besser
1. Januar 2023 20:55

Dein Beitrag über die öresundbrücke und die Krimi-Serie ist toll. Faszinierend, dass du jetzt darauf stößt. Ich kenne sowohl Brücke als Krimis seit Jahren.
Du schreibst so darüber, dass, wenn man es nicht kennt, beides kennenlernen möchte. Toll!

31. August 2023 10:10

Die Serie ist nicht nur ein Krimi, sondern auch eine faszinierende Reise durch die Verbindung zweier Länder und deren unterschiedlichen Charaktere. Deine Begeisterung für die Öresundbrücke und die Serie ist ansteckend :)