Zuletzt aktualisiert am 1. September 2022 um 6:03
(Foto: Christoph Eisenmenger)
Ausgerechnet im (gefühlt) schlechtesten und verregnetsten Sommer aller Zeiten bin ich zu einem Festival in der Lüneburger Heide aufgebrochen. Beim „A Summer’s Tale“ warteten bitterkalte Nächte auf mich. Aber auch: Abwechslung, leckeres Essen, tolle Konzerte und eine Erkenntnis. (Auf Einladung*)
Ich kann meinen Atem sehen. Mit der linken Hand umklammere ich mein Bier im Plastikbecher, die andere habe ich tief in meiner Jackentasche vergraben. Rechts von mir steigt Dampf von den Essenständen in die Nacht. Regen nieselt mir ins Gesicht, ich ziehe die Kapuze in die Stirn. Dies könnte ein Dezemberabend auf dem Weihnachtsmarkt sein.
Ist aber ein Festival in der Lüneburger Heide. Und zwar Mitte August. „A Summer’s Tale“ heißt die viertägige Veranstaltung – nur dass Dauerregen und absurde Temperaturen sie in ein Wintermärchen verwandeln.
„Ist das normal, dass es hier so kalt ist?“ ruft Shirley Manson, Sängerin der Band Garbage, bei ihrem großartigen Konzert später ungläubig von der Hauptbühne ins Publikum. Und erinnert mich daran, dass mir mitten im Hochsommer eine weitere furchtbare Nacht im Zelt bei sechs Grad bevorsteht. Die klamme Kälte ist mir schon gestern erbarmungslos in die Knochen gekrochen und stundenlang nicht aus meinem Körper gewichen. Garbage spielen „Only happy when it rains“, ausnahmsweise regnet es bei ihrem Gig nicht.
Am nächsten Tag dafür fast ununterbrochen – Gift für meine Laune, die im Übermaß vom Wetter abhängt. Ich bin quasi ein anderer Mensch unter blauem Himmel.
Das Festival in der Lüneburger Heide ist anders als die anderen
Da kommt mir sehr gelegen, dass „A Summer’s Tale“ kein reines Musik-, sondern ein Kunst- und Freizeitfestival mit Workshops, Lesungen und Filmen ist, das Gäste jeden Alters und gezielt auch Familien ansprechen will. Man kann hier tagsüber unter anderem vegane Süßigkeiten herstellen, mit Holz arbeiten, mit den Fingern stricken, Swingtanz lernen, Sport treiben, Sommercocktails kreieren. Vom Kleinkind bis zur Oma finden alle hier Zerstreuung, zumal der Großteil der Workshops überdacht stattfindet.
So verbringen wir die verregneten Stunden „Ho, ho, ha, ha, ha“-rufend beim Lachyoga, mit den Füßen des Vordermanns fast im Gesicht im überfüllten Yoga-Flow-Workshop, schlechte Energien mit den Händen wegschiebend beim Qi Gong und durch den Raum hüpfend, rollend und Rad schlagend beim Modern Dance. Wir bekommen Einblicke, bleiben so bei Laune – und freuen uns, außerdem jeden Tag etwas Neues zu essen ausprobieren zu können.
Denn das Festival in der Lüneburger Heide ist vielleicht das leckerste in ganz Deutschland: 35 Essensstände gibt es hier, sie alle verwenden Nahrungsmittel in Bio-Qualität, die meisten beziehen ihre Produkte von regionalen Händlern. Es gibt veganes Fast Food, es gibt Lachsdöner, Handbrot, arabische Küche, Waffeln und Quark. Ganz viel Essen für die Seele. Im Schutze eines Schirms fallen wir über einen gut gefüllten Teller „Teufelspfanne“ von der „Nudelei“ her – unfassbar leckere, pikante Pasta mit Pesto und Knoblauch. Das hat etwas Tröstliches inmitten des hartnäckigen Regens.
Zwischendurch erbarmt sich der Wettergott. Dann ist die Luft ganz frisch mit leichter Kuhnote, dann reißt der Himmel für ein Stündchen auf und das Leben kehrt zurück auf die Flächen zwischen den Bühnen. Dann haben Festivalgelände und Campingplätze ihre Farben wieder: blauer Himmel, sattgrüne Wiesen und Wälder, gelb-rot-gestreifte Zelte. Und links und rechts an den Wegen zur Hauptbühne blüht zaghaft-violett die Heide. Wie wundervoll dieses Festival erst im Sommer sein muss, denke ich, im richtigen Sommer bei beständigen 28 Grad und Sonnenschein.
Die Kinder – es sind viele hier – stört das Wetter nicht. Wenn die Konzerte beginnen, tragen sie stolz neongrüne, -blaue oder -pinke Lärmschutz-Kopfhörer. Kleine Farbtupfer im Grau.
Zum ersten Mal versöhnt mit Kälte und Regen bin ich am Mittwochabend, beim Konzert von Michael Kiwanuka. Das mag an dem warmen, roten Licht liegen, in das die Bühne, auf dem der englische Soulsänger mit seiner Band spielt, getaucht ist. Und an seiner einzigartigen Stimme, der ich einfach zuhören muss. Sicher auch daran, dass er im überdachten Zeltraum spielt, in dem es so schön warm ist, wenn so viele Menschen drin stehen. Ganz egal, ich kann mich darauf einlassen und beschließe, mir zu Hause seine Musik zu besorgen.
Das gelingt mir im Laufe des Festivals zum Glück noch häufiger. Eines Spätnachmittags kann ich sogar dem Regen etwas abgewinnen, während ich ihm im Inneren unseres Zeltes lausche. Man kann aus allem das Beste machen, wird mir klar – nur machen muss man etwas: Ablenkung suchen, Kopf und Sinne beschäftigen mit neuen Eindrücken. Und sei es nur aufmerksam hinschauen und zuhören.
Am Freitagabend kurz vor unserer Abreise, tritt Noel Gallagher mit seinen High Flying Birds auf. Sie spielen „Champagne Supernova“, sie spielen „Wonderwall“ und zum Schluss „Don’t look back in anger“. Am Ende gefällt mir dieses Konzert am besten. Übrigens von allen das verregnetste.
***
Wer mehr Zeit mitbringt, könnte die wunderschöne Gegend vielleicht zu Fuß erkunden. Auf ontourwithdogs.de gibt es vier Wander-Highlights in der Lüneburger Heide.
*Offenlegung: Ich wurde von FKP SCORPIO zum „A Summer’s Tale“-Festival eingeladen.
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Wirklich schade, dass das Wetter nicht so mitgespielt hat. Der Beschreibung nach hätte es dieses Festival mehr als verdient. :(
Ja, absolut!
Oh! Das sieht aber toll aus! (Ausser das Wetter)
Ich wusste vorher gar nicht, dass es bei uns in der Gegend ein Festival gibt :)
Hi Anji, ja, das war auch erst die zweite Ausgabe dieses Festivals.