Menschen

Mit der besten Freundin um die Welt

3. März 2015
Freundinnen auf Weltreise: Nina und Steffi in San Pedro de Atacama.

Zuletzt aktualisiert am 1. September 2022 um 5:45

Steffi und Nina (beide 32) sind seit mehr als zwei Jahren zusammen auf Weltreise. Erlebnisse teilen, aufeinander aufpassen und später gemeinsam in Erinnerungen schwelgen zu können – für die beiden Mainzerinnen gibt es nichts Besseres, als zu zweit zu reisen. Heimkehren wollen sie noch lange nicht.


Nina

NinaDas Fernweh wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Meine Eltern waren auch ständig auf Achse. 1977 haben sie eine Weltreise gemacht. Meine Mutter hat damals Tagebuch geschrieben und Dias aufgenommen. Alles gut erhalten. Schon als Kind habe ich mir die Sachen gern angeschaut. Irgendwie hatten sie eine magische Wirkung auf mich.

In meinem BWL-Studium ging es mit den Langzeitreisen los: Ein Auslandssemester habe ich in Valencia verbracht. Ein weiteres 2008 in Bangkok. In dieser Zeit bin ich viel durch Südostasien gereist und habe auch die unbequeme Seite des Reisens kennen gelernt. Ich erinnere mich lebhaft an eine Unterkunft in Kambodscha, in der alles so dunkel und dreckig war, dass ich mich fühlte wie im Horrorfilm „Saw“. Aus der Dusche kam nur gelbes Wasser. Da hatte ich eine Gänsehaut vorm Einschlafen. Mit der Zeit – auch das habe ich festgestellt – stumpft man allerdings ein bisschen ab.

Zurück in Mainz schrieb ich meine Diplomarbeit. In Gedanken war ich aber längst wieder unterwegs. Buchstäblich! An einem Freitag habe ich meine Abschlussarbeit eingereicht, zwei Tage später, am Sonntag, saß ich schon im Flugzeug, um durch Südostasien, Australien und Neuseeland zu reisen.

Zweieinhalb Jahre später, im Sommer 2012, als ich schon zwei Jahre in Mainz gearbeitet hatte, erfuhr ich von einem Wettbewerb: Ein Spirituosenhersteller verloste bei Facebook einen Bartender-Job in der Südsee. Ich glaube, damals habe ich alle meine Freunde aufs Übelste genervt. Denn um zu gewinnen, musste man so viele Votes wie möglich bekommen. Ich habe sogar eine Facebook-Gruppe gegründet, in der waren am Ende 800 Leute, die jeden Tag für mich Posts bei Facebook abgesetzt und E-Mails geschrieben haben, um für mich abzustimmen.

An einem Montagnachmittag, ich saß gerade im Büro, kam der Anruf. Ich hatte tatsächlich gewonnen! Da gab es nur noch ein kleines Problem: Mein Chef bot mir zwar an, mich fünf Wochen lang freizustellen. Das war mir aber nicht genug. Ich wollte frei und unabhängig sein. „Dann ist das eben Schicksal“, dachte ich mir. Und kündigte.

Wenig später tat Steffi es mir gleich: Sie skypte mich auf den Cook Islands an und schlug vor, dass wir uns Anfang 2013 auf Kuba treffen. Gemeinsam zu reisen – davon hatten wir sowieso schon geträumt.

Seitdem haben wir fast den ganzen amerikanischen Kontinent bereist. Es ist großartig, all das mit Steffi zu erleben. Mit ihr habe ich immer ein Stück Heimat bei mir. Wir kennen uns, seit wir zehn Jahre alt sind und passen aufeinander auf – das gibt auch unseren Eltern ein Gefühl von Sicherheit. Steffi und mir geht nie der Gesprächsstoff aus. Einmal saßen wir in Bolivien in einem Café und schnatterten und lachten stundenlang – da kam ein Mann auf uns zu und sagte: „Ihr seid die ersten jungen Menschen, die ich hier sehe, die nicht nur auf ihre Handys starren.“

BankBier

Steffi und Nina während ihrer Weltreise in Bocas del Torro, Panama. Die Fotos stammen vom Blog der beiden, www.2polloslocos.com.

Nur in Brasilien sind wir aneinandergeraten. Da haben wir während der Fußball-WM in Rio in einem Hostel gearbeitet, am Ende jeden Tag. Das war anstrengend. Permanent war um uns herum die Hölle los. Wir hatten keinerlei Rückzugsmöglichkeiten und ließen den Stress aneinander aus.

Aber auch das ist eine Erfahrung, die uns verbindet. Genau wie unsere Bereitschaft, Opfer zu bringen für das Reisen. Viele Leute fragen uns, wie wir uns das leisten können. Wir haben eben auf vieles verzichtet – auf ein Auto zum Beispiel oder eine teure Einrichtung – und unser Geld gespart. Außerdem arbeiten wir! Zurzeit sind wir mit einem Working-Holiday-Visum in Vancouver. Hier haben wir beide je zwei Jobs in der Gastronomie, die uns von früh bis spät auf Trab halten. So füllen wir die Reisekasse wieder auf.

Unterwegs verzichten wir sowieso auf Luxus. Generell ist die wichtigste Erkenntnis, die ich beim Reisen gewonnen habe: Ich brauche nicht viel. Ich kann zwei Jahre lang aus dem Rucksack leben und mir fehlt es an gar nichts. Zumindest an nichts Materiellem. Das macht mich frei.

Steffi

SteffiIch muss fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, als ich etwas über Griechenland im Fernsehen gesehen hatte und meinen Eltern verkündete: Ich will ans Meer! Danach sind wir statt nach Österreich immer ans Wasser gefahren.

Reisen habe ich schon als Kind geliebt. Später wollte ich immer länger ins Ausland gehen. Nur ging das viele Jahre einfach nicht. Nach der Schule wusste ich nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Also begann ich mit 19, an der FH in Mannheim Verwaltungswissenschaften zu studieren. Ein berufsbegleitendes Studium: Gleichzeitig wurde ich in der Agentur für Arbeit ausgebildet. Ohne wirklich drüber nachgedacht zu haben, schlug ich die Beamtenlaufbahn ein. Glücklich wurde ich damit nicht.

Heute würde ich so etwas abbrechen. Damals kam das nicht infrage. Aufgeben, das gab es nicht. Also hielt ich durch. Nach dem Studium arbeitete ich weiter in der Agentur für Arbeit. Fast jeden Tag dachte ich: Und das soll nun mein Leben sein? Nach einem halben Jahr ging ich auf Teilzeit runter. Ich hatte beschlossen, parallel in Mainz BWL zu studieren.

Eine Weile ins Ausland zu gehen, reizte mich nach wie vor. Aber ich musste ja immer arbeiten! Meine Kollegen fanden das witzig: Ich war ja ohnehin diejenige, die mit Abstand am meisten reiste. An jedem Urlaubstag war ich unterwegs. Damals habe ich zum Beispiel öfter meinen Bruder besucht, der nach Spanien ausgewandert war.

Im Sommer 2012 – inzwischen hatte ich auch das BWL-Studium beendet – sprachen Nina und ich zum ersten Mal darüber, zu zweit auf Weltreise zu gehen. Doch dann kam unerwartet ein Stellenangebot in der freien Wirtschaft. Ein toller Job, dachte ich – und legte die Reisepläne abermals auf Eis.

Erst einmal musste ich aber dafür sorgen, dass man mich aus dem Beamtentum entlässt. Ich weiß das noch, als wäre es erst gestern gewesen: Ich war wegen eines Bänderrisses krankgeschrieben. Trotzdem humpelte ich in die Personalabteilung und fragte grinsend: „Was muss ich tun, um nicht mehr verbeamtet zu sein?“ Die haben vielleicht geguckt!

Und damit war diese Fessel endlich gesprengt – ich war keine Beamtin mehr. Doch leider war der neue Job keineswegs der Ausweg, den ich mir erhofft hatte. Ich wurde dort einfach nicht gefordert. Irgendwann ging es mir richtig elend.

So entschied ich mich endlich doch für meinen Traum von der Weltreise. Ich buchte einen Flug nach Kuba, wo ich Nina treffen wollte, und kümmerte mich um die Reiseschutzimpfungen. Es ging alles ganz schnell. Aber anders als die Entscheidung, Beamtin zu werden, war diese wohlüberlegt.

Überrascht war ich über die Reaktion meines Vaters. Statt mir ins Gewissen zu reden, sagte er nur: „Ich weiß, wie lange du davon schon träumst.“ Noch am selben Tag half er mir, meine Wohnung auszuräumen. Meine Mutter war ängstlich – wie Mütter eben sind. Aber irgendwann, da waren Nina und ich schon eine Weile unterwegs, sagte sie am Telefon: „Ich sehe, dass du glücklich bist. Und wenn du glücklich bist, bin ich es auch – egal, wo du bist.“

fin del mundo

Zusammen bis ans  “Ende der Welt”: Die Freundinnen am “fin del mundo” in Argentinien

In vielen Augenblicken mache ich mir klar: „Eines Tages wirst du an diesen Moment zurückdenken.“ Zum Beispiel als wir uns in Guatemala eines Morgens um vier Uhr in einem Bus wiederfanden, in dem außer uns nur einheimische Männer mit Macheten saßen – bislang die einzige Situation auf unserer Reise, in der uns mulmig zumute war. Inzwischen können wir uns darüber totlachen! Manchmal stelle ich mir vor, wie Nina und ich mit siebzig bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen und in unseren Erinnerungen schwelgen.

Manche Leute meinen, wir finden nie wieder einen guten Job, wenn wir nach Deutschland zurückkommen. Aber erstens glaube ich das nicht. Es geht immer irgendwie weiter. Zweitens: Was nützt mir denn der angesehenste Job, wenn ich nicht glücklich bin?

***


(Alle Fotos haben Nina und Steffi mir für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt. )


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2 Comments
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Britta
10. März 2015 14:30

Eine großartige Geschichte von Euch beiden! Ich wünschte, ich wäre auch früher so mutig gewesen! Inzwischen bin ich 51, habe einen festen Job und muss für meine Tochter sorgen. Aber ich habe sie auch schon mitgenommen nach Indien und Malaysia und die nächsten Urlaube kommen bestimmt ; ) Macht weiter so, Ihr seid auf dem richtigen Weg! Liebe Grüße Britta