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Italienische Kaffeekultur und die besten Cafés in Mailand

1. Mai 2016
Städtereise Mailand Italien Fassaden

Zuletzt aktualisiert am 1. September 2022 um 5:57

Szenen aus Mailand: Erfrischend unverstellt sind die Menschen in der Großstadt im Norden von Italien. Jedenfalls halten sie mit ihren Stimmungen nicht groß hintern Berg, weder draußen auf der Straße noch beim Kaffee in einer ihrer unzähligen Bars. Eindrücke aus der Stadt, in der der Espresso erfunden wurde. Dazu: Wissenswertes über italienische Kaffeekultur sowie die besten Cafés in Mailand, von Insiderinnen empfohlen. 


Mailand, Italien: Eine Geschichte

 Die Sonne scheint auf die Corso Buenos Aires. Ein Samstag im März, die Luft ist mild in Mailand, wenn auch nicht ohne-Jacke-raus-mild, wie wir gehofft hatten. Seit zwei Tagen erkunden wir die zweitgrößte Stadt Italiens.

Städtereise Mailand Italien

Diese Straße, hat die Freundin morgens im Hotel vorgelesen, ist die längste Einkaufsmeile Italiens und nirgends in Europa ist die Dichte an Geschäften höher. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen – ich hab’s nicht so mit stundenlangem Shopping. Statt der Ladeneingänge nehme ich deshalb die Hausfassaden ins Visier: Brüchiger Putz, vereinzelt gelb oder orange, meist aber graubraun und stellenweise so verfärbt, als hätten einmal meterhohe Flammen gegen die Wände geschlagen.

Trotzdem wirken die Jugendstil-Gebäude nicht dreckig, sondern charaktervoll mit ihren Ornamenten und geschwungenen Balkonen, auf denen sich Pflanzen ums Geländer schlingen. Und zwischendrin steht immer mal ein Haus mit Fensterläden aus Holz, die ich so liebe.

Mailand Jugendstil

Gegen Mittag wird es wuselig. Immer mehr Menschen mit immer mehr Tüten kommen uns entgegen, in den Seitenstraßen bimmeln die gelben Mailänder Trams jetzt öfter.

Straßenbahn Mailand

Wir machen eine Pause in einem der vielen Cafés, die hier Bars heißen. Ein schmaler Raum mit langem Tresen, an dem dicht an dicht Gäste nebeneinander stehen, vor ihnen je eine Minitasse Espresso und ein Miniteller mit Gebäck. Es duftet so intensiv nach frisch aufgebrühtem Kaffee wie zu Hause höchstens bei Tchibo. Ein Mann faltet seine Zeitung auseinander, viel Platz hat er dafür nicht. Gegenüber machen sich Baristas an riesigen Kaffeeautomaten zu schaffen. Geschirr klappert, Maschinen zischen, die Stimmen der Mitarbeiter kämpfen gegen den Lärm an, sobald eine Bestellung fertig ist. Erst glauben wir, wir bekommen hier keinen Kaffee, so sehr wimmelt es am Tresen, so viele Menschen schieben sich nach uns in die Bar. Doch dann geht alles ganz schnell: Zwei Anzugmänner stürzen sich ihren letzten Schluck Espresso fast gleichzeitig hinunter und verlassen zackig das Lokal.

In Mailand darf man nicht so zimperlich sein, denke ich, als jemand sich unsanft an mir vorbeidrängelt und meinen verständnislosen Blick mit einem knappen Nicken quittiert. Hier reißt man sich nicht ständig voreinander zusammen. Man ist man selbst und tut, wonach einem der Sinn steht, egal, was die anderen denken.

Bar in Mailand Italien

Haben wir öfter beobachtet. Ein Paar, gar nicht mal so jung, knutschte mittags am Hauptbahnhof wild und filmreif an eine Wand gepresst. Ein anderes Paar zoffte sich auf der Via Dante – Riesenszene, Schubsen (sie ihn) und Nachlaufen (er ihr) inklusive –, nur um sich zwei Straßenecken später wieder in den Armen zu liegen.

Via Dante

Gestern haben wir uns den Mailänder Dom angeschaut, eine der größten Kirchen der Welt. Ist Mailand sehenswert oder nicht? Diese Frage stellt sich allerspätestens dann nicht mehr, wenn man vor dem Wahrzeichen der Stadt steht und vielleicht sogar auf sein Dach hinaufsteigt.

Über den Domplatz schwebten Frauen in gut sitzenden Schurwollmänteln und glänzenden Stiefeln so aufrecht und anmutig, dass ich öfter an mir heruntersah, meinen Zwiebellook mit Strickjacke für keine gute Idee mehr hielt und wünschte, ich hätte meine Schuhe mal geputzt.

Mailänder Dom

Domplatz Mailand

Und dann war da noch die Frau am Kassenschalter im U-Bahn-Schacht, die uns die vollkommen unnütze „Milano Card“ verkaufte: Sie feuerte unser Wechselgeld in die Durchreiche, schloss ihre Sprechklappe mit einem Knall, stand auf und ging, ohne uns ein einziges Mal angesehen zu haben.

Frech und unverforen. Und echt und pur und unverstellt.

 Mailand: Lässig in der Bar

Wie die kleine, alte Dame, die gerade die Bar betreten hat. Sorgfältig geschminkt ist sie und aufwändig frisiert, ihrem Mantel sieht man an, dass er nicht billig war. In ihrem Gesicht regt sich nichts, als sie das Gedränge vor der Theke sieht. Und dann fackelt sie nicht lange. Zielstrebig geht sie auf die Vitrine mit dem Gebäck zu, greift hinein und fischt ein längliches Teilchen heraus, streckt den Arm hoch über die Köpfe der Wartenden am Tresen und wedelt damit kurz in Richtung der Baristas.

Dieses Bild werde ich vor Augen haben, wann immer ich an Mailand denke: die alte Dame, die jetzt herzhaft in ihr Puddinggebäck beißt. Und sich dann lässig den Puderzucker von der Schulter klopft.

***


Mailand, Italien und die Geschichte des Kaffees

Für seine Kaffeekultur ist Italien weltweit berühmt. Auf einen caffè in eine Bar zu gehen, ist für viele Italiener:innen so selbstverständlich und alltäglich wie das Zähneputzen. Als Kaffee-Städte schlechthin gelten Triest und Venedig. Geht es aber um die Geschichte des Getränks, kommt Mailand eine ganz besondere Rolle zu. In der Modemetropole wurde nämlich der Espresso erfunden. Er ist bis heute die beliebteste Art der Kaffeezubereitung der Italiener.

 Der Espresso kommt aus Mailand

Kaffeekultur hat eine lange Tradition in Italien. Schon im 16. Jahrhundert importierte die Hafenstadt Venedig als eine der ersten Städte in Europa überhaupt Kaffeebohnen aus Übersee. Um 1900 kam in Mailand erstmals der Espresso als Zubereitungsart in Mode. Diesen brühte man zunächst von Hand mit Wasserdampf auf – ein langwieriges Prozedere, das schon wenig später wieder ausgedient hatte. Zur selben Zeit nämlich tat sich der Mailänder Ingenieur Luigi Bezzera mit einem Kaufmann aus Neapel zusammen, um ein Gerät zu entwickeln und zu vermarkten, das die Herstellung des Getränks entscheidend beschleunigte. Herumgetüftelt hatte Luigi Bezzera seit Jahrzehnten. Bei der Weltausstellung in Paris 1855 hatte der Erfinder sogar schon einen Prototyp einer Espressomaschine vorgestellt. Doch erst 1901 konnte er sein Hochdruckverfahren und seine Maschine für „caffè espresso“ patentieren lassen. 1906 wurde seine Espressomaschine 19006 auf der Mailänder Internationalen Messe ausgestellt. im Anschluss hielt sie von Mailand aus Einzug in den Bars in ganz Italien.

Espressomaschine in Italien

(Foto: Karolina Grabowska/ Pixabay)

Mailand ist die Geburtsstätte des Espressos . Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die erste Starbucks-Filiale in ganz Italien ( übrigens auch die größte in Europa 2018) ausgerechnet hier, kaum fünf Gehminuten vom Mailänder Dom entfernt, eröffnet wurde. In der gigantischen ehemaligen Hauptpost an der Piazza Cordusi röstet nun  die US-Kette Bohnen aus aller Welt und schenkt Kaffeespezialitäten aus. Die Einheimischen sind aber sicher, dass Starbucks hauptsächlich Touristen anzieht, während Italiener:innen weiterhin in die traditionelle Bar ihres Vertrauens gehen – zumal der „caffè“ (also „Espresso“) dort standardmäßig nur einen Euro und nicht wie bei Starbucks 1,80 Euro kostet. 

 Italienische Kaffeekultur: Was Touristen wissen sollten

  • Ein „Caffè“ ist ein Espresso

Bestellt man in Italien einen „Caffè“, bekommt man das, was bei uns „Espresso“ heißt. Und wer in einer italienischen Bar einen „espresso“ bestellt, outet sich vor allem im Süden als Tourist. Ist einem „Caffè“ zu stark und möchte man lieber etwas trinken, was dem Filterkaffee, wie wir ihn in Deutschland trinken, am nächsten kommt, bestellt man am besten einen „Caffè americano“ – das ist Espresso, der mit Wasser gestreckt ist. Milch gibt es dazu in der Regel nicht. Wer Kaffee ohne Milch nicht mag, fragt am besten gleich nach einem „Caffè latte“.

  • Kaffee mit Milch? Nur bis zum späten Vormittag

Während Italiener:innen ihren „caffè“ rund um die Uhr trinken, gilt Kaffee mit Milch oder Milchschaum als reines Frühstücksgetränk. Wer sich am Nachmittag zum Beispiel einen Cappucino bestellt, entlarvt sich daher ebenfalls als Tourist.

Café am Naviglio Grande Mailand Italien

Café am Naviglio Grande in Mailand, Italien: Zum italienischen Frühstück gehört etwas Süßes

  • Im Sitzen trinken kostet extra

In einer Kaffeebar verbringt man in der Regel nicht allzu viel Zeit und trinkt seinen Kaffee im Stehen direkt an der Theke. Wer sich an einen der Tische setzt, zahlt eine Gebühr für die Bedienung. Auf der Rechnung ist diese als „coperto“ ausgewiesen. In der Regel beträgt sie etwa einen Euro pro Person.

Viel Wissenswertes über die italienische Kaffeekultur und verständliche Erklärungen zu allen möglichen Zubereitungsarten hat Julia von „italienundich.com“, die in Italien lebt.

Die besten Cafés in Mailand

Während einer Städtereise nach Mailand ist der Besuch einer italienischen Kaffeebar natürlich ein Muss. Höchste Zeit für ein paar  Empfehlungen! Sie kommen von Karin und Yanne, zwei echten Mailand-Insiderinnen.

Yanne und Karin von appsolutelymilano.com

Yanne und Karin vom Mailand-Blog appsolutelymilano.com

Seit mehr als zwanzig Jahren leben die beiden Däninnen schon in der norditalienischen Metropole und geben auf ihrer Website appsolutelymilano.com regelmäßig Tipps für Unternehmungen und anstehende Ereignisse in Mailand. Ihren Veranstaltungskalender aktualisieren sie jede Woche.

Und was sind ihrer Ansicht nach die besten Cafés in Mailand? Hier kommen Karins und Yannes Favoriten:

  • Marchesi: In der Via Santa Maria alla Porta 11/a befindet sich das Original, es gibt aber auch Filialen in der Via Monte Napoleone 9 und in der Corso Vittorio Emanuele II, über dem Prada-Geschäft. Das Marchesi ist eines der historischen Cafés der Stadt mit fantastischem Kaffee und einer interessanten Kundschaft.
  • Cova: Es gibt eine Filiale in der Via Monte Napoleone 8 und eine in der Via Cusani 10. Auch das Cova ist ein Café-Klassiker, ebenfalls besonders beliebt bei einer leicht exzentrischen Klientel.
  • Lavazza Café: Es befindet sich in der Piazza San Fedele 2 und hat sowohl klassische Kaffeespezialitäten als auch moderne Varianten im Angebot.
  • Illy Caffè: (Via Monte Napoleone 19 und an der Piazza Gae Aulenti): Illy ist traditionell eine der besten Kaffeemarken Italiens. Mit einem Kaffee bei ihnen macht man nie etwas falsch.
  • Iginio Massari (Via Giuglielmo Marconi 4) Der Mann ist eine der historischen Figuren, wenn es um italienische Feinbackkunst geht. Auch der Kaffee ist in seinem Café ausgezeichnet.
  • Caffè Pascucci (Corso Europa 22)  Jung, hip und ausgestattet mit einer sehr guten eigenen Fair-Trade-Kaffeemarke.

  Shopping und Sehenswürdigkeiten in Mailand: Linktipps

Naviglio Grande Mailand Italien

Hier lässt sich auch nett Kaffee trinken: Naviglio Grande. Die Kanäle zählen zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Mailand

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2 Comments
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Tina P.
1. Mai 2016 13:13

Schön,das motiviert mich ja gleich richtig,da mal selber hinzufahren.….