Zuletzt aktualisiert am 1. September 2022 um 5:42
Auch so ein Phänomen: Den Wohnort weiß man erst dann richtig zu schätzen, wenn man ihn verlässt. So ging es mir, als ich mich auf die Reise machte: Zum Abschied war die Stadt so schön wie nie. Meine Hamburg-Bucket-List.
Von meinen Kollegen ernte ich fragende Blicke, weil ich nach Feierabend um die Binnenalster spazieren will. Schließlich sind wir schon in der Mittagspause ein gutes Stück gelaufen. Also ziehe ich in meiner letzten Arbeitswoche dreimal allein los, mit der Handykamera im Anschlag.
Mein nahender Abschied macht eine Touristin aus mir: Alles will ich festhalten, überall mache ich Fotos – mittags in der Speicherstadt, abends an der Alster, am Wochenende an der Elbe. Viereinhalb Jahre habe ich in Hamburg gelebt und nun, da ich die Stadt bald verlasse, finde ich sie schöner denn je.
Jahre in Hamburg: So Vieles nie gemacht, nie ausprobiert
Das hat schon Ende April begonnen, am ersten warmen Frühlingstag mit 20 Grad und Sonnenschein. Da ging ich am späten Samstagvormittag über den Markt in der Neuen Großen Bergstraße, wo es nach Fisch roch und kurz darauf nach Erdbeeren, wo, ein paar Meter weiter die Straße hinauf, zwei Männer pfeifend die Fenster vom Handygeschäft putzten und aus dem Stoffladen oben an der Ecke französische Chansons drangen. Ich kam mir vor, als sei ich im Urlaub im Süden und nicht bei mir ums Eck. In der schnöden Bergstraße. Ausgerechnet!
Später saß ich auf einer Bank gegenüber vom Altonaer Museum, ein kleines Mädchen lernte Fahrradfahren, und ich fragte mich: Wieso bin ich zuvor nie dort gewesen, am Samstag auf dem Wochenmarkt? Und dann fielen mir tausend weitere Orte und Sachen ein, die ich in Hamburg nie besucht, nie ausprobiert hatte. Die Wasserlichtkonzerte am Parksee im „Planten un Blomen“ zum Beispiel, obwohl die im Sommer jeden Abend stattfinden und kostenlos sind. Und obwohl man sie mir etliche Male ans Herz gelegt hat. Das Passage-Kino und das Savoy – weil ich, aus Gewohnheit und weil’s mir dort gefällt – immer in dasselbe Kino, das Abaton, gegangen bin. Die Restaurants im Portugiesenviertel, von denen ich nur eines kenne, aber nicht mehr seinen Namen. Und noch unendlich viel mehr.
Zeit für eine Hamburg-Bucket-List
In derselben Woche begann ich mit dem Nachholen: Im Fisch-Bistro in der Feldstraße war ich schon essen. Das türkische Hamam, vor dem ich so oft gestanden und mich gefragt hatte, was mich drinnen wohl erwartet, habe ich ausprobiert. Und die vor allem bei Touristen beliebte Skyline-Bar „20up“ kann ich nun ebenfalls abhaken. Dort hat man mir freundlicherweise in Turnschuhen Zutritt gewährt, obwohl sie laut Dresscode „nicht zum Stil der Bar passen“.
Trotzdem: Je weniger Tage mir bleiben, umso länger wird sie, meine Hamburg-Bucket-List. Vielleicht habe ich am Ende aus zu vielen Wochenenden zu wenig gemacht? Kann sein. Einen Gedanken nehm ich deshalb mit auf meine Reise, in Geschenkpapier verpackt: Geh raus, unternimm was, es lohnt sich, auch allein, auch müde, auch wenn Du skeptisch bist. Es gibt so viel zu sehen, überall und jeden Tag und oft schon an der nächsten Ecke.
Und was ich jetzt hier nicht mehr schaffe, das mach ich, wenn ich wiederkomm. Tschüss, Hamburg, und auf Wiedersehen!
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Oh, das kommt mir aber sehr bekannt vor. Das alles kann ich nur zu gut nachvollziehen, denn genau so ging es mir kürzlich auch, als ich nach vielen Abwesenheiten auf einmal einen ganz anderen Blick für meine Heimatstadt hatte. Und dazu fürchterlich viel Lust, mich dort auch mal “anders” umzuschauen als “normal”. Herausgekommen sind dabei viele, viele Bilder und etliche “neue” Eindrücke von Orten, die mir eigentlich bekannt sein sollten, die ich aber auf einmal mit ganz anderen Augen gesehen habe … ;) Interessant, dass es nicht nur mir so geht! :D
LG, Wolfgang
Hi Wolfgang,
ja, ich hab mir vorgenommen, mir das für Hamburg wieder einmal vorzunehmen (seit dem Beitrag ist Zeit vergangen und zuletzt hat mich die Stadt ziemlich genervt, siehe: http://fluegge-blog.de/hotel-im-wendland/). Bin sicher, das lohnt sich.
Ach soooooo, das ist schon “etwas” her (wie ich jetzt auch sehe). ;) Nun ja, klappt sicher auch mit etwas Abstand noch einmal. Bei mir war´s gerade ganz aktuell so, nachdem mich “mein” Hannover, wenngleich aus anderen Gründen, längere Zeit ziemlich genervt hatte und ich daher nur den Gedanken hatte “Hauptsache weg” … :D
Das hoffe ich, dass das noch mal klappt. Im Frühling, wie im Text beschrieben, ist es allerdings noch ein bisschen leichter.