Zuletzt aktualisiert am 11. Oktober 2022 um 5:54
Eine Deutsche in New York: Als Bianca (25) vor sechs Jahren zum ersten Mal in New York City war, konnte sie sie nicht vorstellen, eines Tages dort zu leben. Inzwischen möchte sie den ewigen Trubel ihrer neuen Heimat nicht mehr missen. Sie genießt es, fast täglich etwas Neues zu entdecken – und zwar am liebsten, wenn sie mit dem Fahrrad durch die Straßen fährt.
Eine Deutsche in New York City: Aus Gelsenkirchen in die USA
Es war nie mein Traum, in die USA auszuwandern. Aber wie es der Zufall wollte, verliebte ich mich in einen New Yorker. 2009 war das. Ich ging noch zur Schule und wollte eigentlich nur mein Englisch verbessern. Online hatte ich eine Plattform gefunden, auf der Leute aus der ganzen Welt miteinander ins Gespräch kamen. Da lernte ich Jorge kennen, meinen Mann. Jorges Eltern stammen aus Peru und sind vor seiner Geburt nach New York ausgewandert.
Ein Jahr lang haben wir uns geschrieben und telefoniert, bis ich ihn im Januar 2010 besuchte. Es war eisig kalt in New York, aber das störte uns nicht. Zwei Wochen war ich dort, Jorge hat mit mir die Touri-Tour gemacht: Empire State Building, Brooklyn Bridge, Liberty Island. Vor dem Rockefeller Center stand noch der Weihnachtsbaum. Und am Times Square haben wir uns zum ersten Mal geküsst.
Der Abschied war hart. Dass ich mal nach New York City ziehen würde, konnte ich mir damals trotzdem nicht vorstellen. Ich empfand die Stadt als anstrengend – die Größe, die Hektik, das durchdringende Heulen der Krankenwagensirenen, das im Fünf-Minuten-Takt ertönt.
Leben in New York City: Es gibt alles. Immer.
Ich wollte außerdem erst einmal mein Abi machen. Einen Ausbildungsplatz zur Restaurantfachfrau hatte ich auch schon. Deshalb führten wir weitere zwei Jahre eine Fernbeziehung. Am Anfang habe ich noch gehofft, dass Jorge vielleicht zu mir nach Deutschland kommt, aber er steckte mitten im Studium und konnte nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Wollte er auch gar nicht. Denn immer wenn er bei mir in Gelsenkirchen war, fehlte ihm seine Heimat.
Ich hingegen stellte fest, dass mir der ständige Trubel in New York mit jedem Besuch weniger ausmachte. In Deutschland hat spätestens ab 22 Uhr und an Sonn- und Feiertagen fast alles geschlossen. Hier kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit shoppen oder essen gehen und die Leute machen davon auch rege Gebrauch. Allmählich fand ich Gefallen daran, bis ich mich irgendwann sagen hörte: „Ich vermisse New York!“ Zum Ende meiner Ausbildung hatte ich mich deshalb entschieden, nach New York zu gehen. Meine Mutter war nicht begeistert. Auch ich war nervös. Aber ich sagte mir, dass ich jederzeit zurückkommen kann, wenn irgendetwas schief geht.
Im Juli 2012 reiste ich ab und im August heirateten Jorge und ich. Die ersten anderthalb Jahre lebten wir im Haus seiner Eltern in der Bronx. Den Stadtteil kannte ich ja schon von meinen Besuchen. Er hat schon lange nichts mehr gemein mit dem gefährlichen Pflaster, für das ihn viele heute noch halten. Es gibt dort wunderschöne Parks und Restaurants und es kommen auch immer mehr Touristen.
So schnell wie möglich habe ich meine Green Card beantragt, damit ich arbeiten konnte. Dabei habe ich mich von einem Anwalt beraten lassen, so eine Prozedur war das. Ich fand einen Job in einem Café am Grand Central und ein paar Monate später begann ich mein BWL-Studium. Die Uni liegt, genau wie der Bahnhof mit dem Café, in Manhattan. Meine Kurse lege ich jedes Semester auf zwei Tage in der Woche, sodass ich weiter im Café arbeiten kann.
Wie ticken New Yorker? Die Einwohner sind freundlich
Als Deutsche in New York ist es leicht, mit anderen in Kontakt zu kommen. Das spüre ich auch immer wieder bei der Arbeit: Die Kunden haben Lust auf Smalltalk. Ich habe hier ganz schnell Anschluss gefunden. Sowohl die Freunde meines Mannes aus Puerto Rico und Südamerika als auch meine Kommilitonen – die meisten sind Europäer – haben mich mit offenen Armen empfangen. Das macht diese Stadt für mich aus: Alle kommen anderswo her und gehen offen aufeinander zu.
New York ist auch nicht so kaltschnäuzig, wie man annehmen könnte. Ja, es herrscht ständig Hektik, aber für ein nettes Wort ist trotzdem immer Zeit. Alten Leuten zu helfen beim Ein- und Aussteigen in den Bus ist eine Selbstverständlichkeit. Und wenn sich Menschen in der U-Bahn streiten, steht immer jemand auf und unternimmt etwas. Man passt aufeinander auf.
Inzwischen wohnen Jorge und ich in Queens. Astoria, um genau zu sein. Mit einer guten Verbindung bin ich in zwanzig Minuten bei der Arbeit. Wenn man mit dem Fahrrad über die Queensboro Bridge fährt, ist man sogar schon in zehn Minuten in Manhattan.
Astoria ist bekannt für seine griechischen Restaurants. Das ist ja ohnehin eines der Dinge, die ich an dieser Stadt liebe: diese Vielfalt, dieses Angebot! Der nächste Grieche, der nächste Thailänder, der nächste Mexikaner ist garantiert nicht weit. Als ich mal wieder in Gelsenkirchen war, fiel mir auf, wie sehr ich mich daran schon gewöhnt habe: Da stand mir der Sinn nach Tacos – es gab aber keine in der Nähe.
Eine Deutsche in New York gibt Insider-Tipps
In New York ist man ständig unterwegs, ständig draußen. Wenn Jorge und ich Zeit haben, schnappen wir uns unsere Fahrräder. Anfangs hatte ich noch Schiss auf den Straßen. Es werden hier aber immer mehr Fahrradwege gebaut. In Manhattan gibt es jedes Jahr die „summer streets“, da sperren sie an mehreren Sonntagen im August die ganze Park Avenue von der 72. bis zur Brooklyn Bridge. Die Gegend wirkt wie verwandelt, so ganz ohne Autos und stattdessen voller Fußgänger und Radfahrer. Bis jetzt waren wir immer dabei. Ansonsten zieht es uns in unserer Freizeit aber nicht nach Manhattan. Da sind hauptsächlich Geschäftsleute und Touristen unterwegs.
Ganz oft fahren wir stattdessen zum Smorgasburg. Das ist ein Floh- und Foodmarkt zugleich, immer samstags in Williamsburg. Wir beide lieben ihn! Dort gibt es unzählige Stände mit Essen aus aller Welt und jedes Mal entdecken wir etwas, das wir noch nie zuvor probiert haben. Hinterher schlendern wir manchmal am Ufer des East River entlang, da hat man einen tollen Blick auf Manhattan. Und meistens staunen wir, was es in Williamsburg wieder Neues gibt: schon wieder ein neues Café, eine neue Bar, ein neues Geschäft. Wo letzte Woche noch ein Waschsalon war, ist jetzt ein Restaurant. Das Viertel verändert sich rasend schnell.
Was Bianca in den USA vermisst
Es gibt natürlich auch Dinge, die mir hier in den USA nicht gefallen. Als Deutsche in New York habe ich zum Beispiel kein sicheres Gefühl, was meine Krankenversorgung betrifft. Zwar habe ich jetzt Obama-Care, ich kann aber trotzdem nicht einfach zum Arzt gehen wie in Deutschland. Erst einmal muss ich meine Krankenkasse anrufen und sie fragen, ob sie die Kosten übernimmt – auch bei Kleinigkeiten.
Hin und wieder vermisse ich auch – wie so viele deutsche Auswanderer – das deutsche Brot. Klar gibt es hier auch deutsche Bäckereien, aber auch die backen es nicht so, wie ich es von zu Hause kenne.
Am häufigsten muss ich im Winter an zu Hause denken, wenn alles ein bisschen entschleunigt ist. Zum Beispiel vergangenen Januar: Da war es hier zwei Tage lang so ruhig wie sonst nie, weil es so viel geschneit hat, dass viele Geschäfte nicht öffnen konnten. Das fühlte sich ein bisschen an wie ein Sonntag daheim in Gelsenkirchen.
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(Alle Fotos für diesen Beitrag hat Bianca mir zur Verfügung gestellt.)
Deutsche in New York: Infos und Linktipps
Womöglich hat Google Dich zu diesem Beitrag gelotst, weil Du selbst planst, in New York zu leben? Neben Fragen zu den Themen Job und Aufenthaltsgenehmigung interessiert Dich vielleicht wie man am besten Anschluss findet und wo man andere Deutsche in New York treffen kann? Kein Problem, ich habe mich mal auf die Suche begeben.
So kannst Du Anschluss finden
Nicht überraschend: Zahlreiche Möglichkeiten bietet das Internet. Du könntest Dich zum Beispiel bei Meetup oder bei Internations anmelden. Das sind Plattformen für Expats, deren Mitglieder regelmäßig Stammtische und andere gemeinsame Unternehmungen planen. Du solltest Dich auch unbedingt in den entsprechenden Facebook-Gruppen anmelden. Hier gibt es gleich mehrere mit Namen wie „Deutsche in New York City“ oder „Germans in New York“. Auch auf diese Weise kannst Du Kontakte knüpfen und andere Deutsche in New York treffen. Aus eigener Erfahrung mit Expat-Gruppen bei Facebook weiß ich, dass man sich dort gern mit Tipps und Tricks weiterhilft – ob es nun darum geht, eine Wohnung zu finden, ein bestimmtes Produkt irgendwo aufzutreiben oder darum, irgendwelche Formalitäten richtig auszufüllen und einzureichen.
Von Blog bis Podcast: Leben und Arbeiten in NYC
Unbedingt sehenswert ist die Porträt-Reihe „Humans of New York“(HONY), für die der Fotograf und Autor Brandon Stanton schon seit 2010 regelmäßig Großstadtbewohner fotografiert und aus ihrem Leben erzählen lässt. Brandon Stanton widmet sich häufig Menschen mit eher ungewöhnlichen Lebensläufen. Seine Porträts in Bild und Wort haben eines gemeinsam: Sie sind ungeheuer berührend und kraftvoll. Mittlerweile ist auch eine ganze Humans-of-New-York-Serie mit Bewegtbild entstanden, die ich ebenfalls jedem sehr ans Herz lege. Alle Folgen kann man sich auf der dazugehörigen Facebook-Seite ansehen.
Zeit Online hat (zugebgeben, es ist schon ein paar Jahre her) die Reihe „Germans of New York“ ins Leben gerufen. Angelehnt ist sie an dieFür „Germans of New York“ hat Zeit Online also einige mehr oder weniger erfolgreiche Deutsche in New York zum Interview getroffen. Dabei herausgekommen sind sehr lesenswerte Artikel über die Einwohner und wie man sie verstehen lernt, über ihren Blick zurück auf die deutsche Heimat, über anfängliche Schwierigkeiten und ganz neue Sichtweisen. Immer fallen in den Interviews die Stichworte Ehrgeiz oder Ambitionen, Tempo und Energie. Den ein oder anderen Insidertipp verraten die Befragten in ihren Beiträgen natürlich auch.
Auf diesem Blog erzählt Gastautorin Katja von ihrem Leben in New York als Expat-Mama mit zwei Kindern.
Zu guter Letzt noch ein Podcast-Tipp: Auf dieser tollen Seite gibt es regelmäßig Interviews mit Mitgliedern der deutschsprachigen Community in New York, die über ihr Leben und ihre Arbeit im Big Apple sprechen. Unbedingt mal reinhören!
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Ach, ja, die Liebe… Diese Geschichte kenne ich auch. Ich wünsche Dir, Bianca, alles Gute und eine glückliche, unendliche Ehe! Ein interessanter Artikel, der auch einige Stereotypen von N.Y. geraderückt.
Danke, liebe Corinna!!!
Sehr interessanter Artikel! Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen, da ich fast das Gleiche erlebt habe. Nur die Stadt ist eine andere, allerdings auch an der Ostkueste. Alles Gute, liebe Bianca, und immer ein bisschen “Deutsch-Sein” bewahren. :-)
Danke, Carolin!
Sehr schoen geschildert. Ich bin seid ueber 40 Jahren hier, mit Unterbrechungen und geh auch oefters mal zurueck nach Deutschland. Mir gefaellt es gut hier. Wir haben einen gr. deutschen Club. Somit, bleibt die deutsche Sprache und etwas von der deutschen Tradition erhalten. Wir waren das letztemal zum Marathon in NY. Ich glaube, auch ich koennte dort leben. Philadelphia ist 1/2 Std von uns und Baltimore ist nicht weit entfernt. Ab und zu fehlt mir Deutschland wegen den Enkelkindern. Sie wachsen so schnell. Einmal im Jahr kommen sie und Opa / Oma fliegen 2-3mal im Jahr zu ihnen. Ja, jeder… Read more »
Hi Irene,
Danke sehr, richte ich Bianca aus, falls sie es nicht ohnehin selbst sieht.
Hallo! Ganz tolle Geschichte! Ist vielleicht eine ungewöhnliche Frage, aber kannst du mir vielleicht sagen auf welcher Plattform sie Jorge kennengelernt hat? Sie sagte eine Plattform wo Menschen aus aller Welt Gespräche führen? Das klingt nämlich wirklich super, sowas suche ich. Liebe Grüße, Tammi.
Hallo Tammi, vielen Dank! Ich frage sie und meld mich dann bei Dir.
hallo
wir sind auf der suche nach einem deutschen auswanderer der uns etwas von new york zeigen kann, können sie uns weiter helfen
mfg
L.Meinhardt
Hallo Herr Meinhardt,
nein, das kann ich so aus dem Stegreif nicht. Sicherlich gibt es deutschsprachige Guides, nach denen Sie im Netz mal selbst googlen könnten, häufig sind das ja auch ausgewanderte Deutsche. Ansonsten gibt es bei Facebook auch Gruppen wie „Deutsche in New York City“, da könnten Sie es auch versuchen.
Habe gerne gelesen
Bin hier Zeit ein Monat
Hallo :) wie heißt denn die Plattform, ich würde sehr gerne mehr mit New Yorkern zu tun haben, seit ich 2017 dort war. Evtl möchte ich auch auswandern :)
Hallo Carmen, was Bianca damals genutzt hat, war ein Forum, das es heute nicht mehr gibt. Es gibt aber x verschiedene Möglichkeiten heutzutage, mit Menschen in anderen Städten der Welt in Kontakt zu kommen. Etwa Facebookgruppen wie „Deutsche in den USA“ oder „Deutsche in New York” oder z.B. die Seite internations.org, auf der man mit Expats in Kontakt treten kann. Das kannst Du ja mal ausprobieren. Viele Grüße!
Eine sehr schönes Geschichte und Grüße aus Gelsenkirchen an Bianca. Ich hoffe Ich traue mich auch ein Lebenskapitel in New York zu beginnen.
Mich interessiert bezahlbarer Wohnraum. Astoria…ist es günstig?
Astoria gehört zum Stadtteil Queens. Laut Google sind das hier die Durchschnittsmieten: https://www.rentcafe.com/average-rent-market-trends/us/ny/queens/