Zuletzt aktualisiert am 1. September 2022 um 6:10
Den Camden Market besucht wohl jeder auf seiner Reise nach London. Hier im Stadtteil Camden lebte Amy Winehouse bis zu ihrem Tod im Juli 2011. Bis heute prägt sie das Viertel entscheidend mit. Auf dem Stables Market steht eine Statue der Sängerin und Künstler haben ihr zu Ehren Grafitti an die Wände gebracht. Ein Rundgang. Dazu: Infos über Shops, Öffnungszeiten und kommende Veranstaltungen auf dem Camden Market.
Camden Market in London: Auf den Spuren von Amy Winehouse
Hätte ich gewusst, dass ich am Ende über Amy Winehouse schreibe, ich hätte wohl einiges anders gemacht an diesem Tag Anfang April in London. Hier im Bezirk Camden, im Norden des Stadtzentrums, lebte die Sängerin, genauer: am Camden Square Nummer 30. Hier lernte sie eines Abends in einer Kneipe Blake Fielder-Civil kennen, den Mann, an dessen Seite sie zum ersten Mal mit harten Drogen in Kontakt kam und den sie noch mehr liebte als die Musik.
Vielleicht wäre ich ins „The Hawley Arms“ gegangen, Amys Lieblingspub, vielleicht in eine der vielen Bars und Livemusikclubs, in denen ständig 60-er-Jahre-Songs, Ska und Gitarrenmusik gespielt werden, von Ray Charles und den Specials und den Shangri-Las. Wenn man in Camden lebt, hat Amy Winehouse einmal in einem Interview gesagt, kommt man an dieser Musik nicht vorbei. Das Viertel habe musikalisch auf sie abgefärbt und sie entscheidend beeinflusst, als sie „Back to Black“ aufnahm, ihr weltweit erfolgreiches Album. Und ihr letztes.
Vielleicht hätte ich mir ihr Haus angeschaut, vielleicht wäre ich über den Primrose Hill gelaufen, einen Hügel auf der Nordseite des Regent’s Park, auf dem sie einen Sommer lang viele glückliche Stunden mit Blake verbrachte, bevor dieser sie für seine Ex-Freundin wieder verließ.
Ein Streetart-Trail ehrt die Sängerin
Doch erstens war ich nie ein Fan von der Sorte, die zu solchen Pilgerreisen aufbricht. Genau genommen war ich überhaupt kein Fan von Amy Winehouse. Ich hätte lediglich zugestimmt, hätte jemand betont, wie außergewöhnlich ihre Stimme klingt. Zweitens ist es voll an diesem sonnigen Samstagvormittag in Camden. Es zieht die Massen auf den Camden Market, für den der Londoner Stadtteil so berühmt ist. Kein guter Zeitpunkt, um sich irgendetwas in Ruhe anzuschauen.
Immerhin den Streetart-Trail laufe ich teilweise ab. Von dem Projekt erfuhr ich kurz vor meiner Abreise nach England: Mehrere Künstler haben zu Ehren von Amy Winehouse in Camden acht Porträts und Textzeilen an die Wände gebracht.
Von März bis Juni 2017 waren die Werke offiziell an verschiedenen Ecken im ganzen Viertel zu sehen und womöglich sind sie bis heute nicht übersprüht worden.
Und während ich durch die Straßen von Camden Town laufe und die großartigen Amy-Graffiti betrachte, fällt mir doch noch so etwas wie in Fan-Moment ein. Ich habe ihn fünf Jahre nach ihrem Tod erlebt: Im Flugzeug sah ich den Dokumentarfilm „Amy“, der die Sängerin mit Videos, Notizen und Tonaufnahmen von ihr selbst und engen Freunden porträtiert. Da sah ich Amy Winehouse, wie ich sie nie gesehen hatte: als aufgeweckte, zum Schreien komische, ungeheuer schlaue und wunderschöne Frau, die an ihrem Wunsch, geliebt zu werden, zerbrach. Und deren Songs unmöglich hätten authentischer sein können. Mag sein, ich habe mir im Flugzeug sogar ein paar Tränen verdrückt.
Der Streetart-Trail führt zum Jewish Museum in der Albert Street. Dort läuft noch bis 24. September 2017 die Ausstellung „Amy Winehouse: A Family Portrait“, die ich sicher auch besucht hätte, hätte ich geahnt, dass dieser Text zu einem so großen Teil von der Künstlerin handeln würde.
Camden Market in London: Hier steht die Amy-Winehouse-Statue
Eine weitere Station auf dem Rundgang ist die lebensgroße Bronzestatue der Musikerin. Sie wurde 2014 auf dem Camden Market, genauer: dem Stables Market enthüllt. Unweit von hier hat Amy Winehouse früher selbst einmal gestanden und Klamotten verkauft. Dreimal frage ich Händler an den sich aneinanderreihenden Ständen, wo genau die Amy-Statue steht. Jeder von ihnen gibt mir sofort bereitwillig Auskunft.
„Sie wollte regelrecht verschwinden“, kommentiert ein enger Freund in der Doku die Drogen- und Alkoholsucht der Sängerin. In Camden Town, so viel steht fest, wird Amy Winehouse bleiben.
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Camden Town: Geschichte eines Stadtteils
Camden Town (oder kurz „Camden“) gehörte ursprünglich zum Stadtteil Kentish Town. Um 1790 bekam der Politiker und Anwalt Sir Charles Pratt, später „Earl of Camden“, das Gebiet aufgrund seiner Hochzeit zugesprochen und begann, Flächen zu verpachten und so seine Bebauung voranzutreiben. Nachdem der 14 Kilometer lange Londoner Regent’s Canal, der mitten durch Camden führt, im Jahr 1816 fertiggestellt wurde, entwickelte sich die Gegend zum Industriegebiet. Lange standen hier hauptsächlich Lagerhallen und Gin-Brennereien.
Und der Camden Market in London? Seine Geschichte begann 1974 mit bescheidenen 16 Ständen. Anfangs fand der Markt nicht ganzjährig statt und war nur samstags geöffnet. Er erlangte in wenigen Jahren jedoch über die Grenzen von Camden Town hinaus Bekanntheit – so wie eigentlich der gesamte Stadtteil. Parallel zu den Anfängen des Camden Markets entstand hier nämlich eine Livemusik-Szene, die ein vornehmliches junges und an Subkultur interessiertes Publikum anzog und begeisterte. Im legendären Dingwalls spielten Bands wie The Clash, The Sex Pistols and The Ramones. Andere Bands wie Blondie und The Stranglers standen hier auf der Bühne, bevor sie landesweit berühmt wurden. Der Punk eroberte Camden – und schon bald waren die Bars und Clubs im Viertel der place to be, wenn es darum ging, (Live)-Musik abseits des Mainstreams zu entdecken. Was für die Musik galt, war dann auch in Sachen Mode maßgeblich. Wer sich alternativ kleiden wollte, fand seine Outifts in Camden.
Aber Camden hat sich Stück für Stück verändert. Ein Beispiel: 2008 wurde der Camden Canal Market nach einem verheerenden Brand geschlossen und als Camden Lock Village neu eröffnet – mit über 100 neuen Geschäften. 2015 wurde er abermals geschlossen und die Fläche im Rahmen eines riesigen Bauprojekts erweitert, zu dem auch allerhand Luxuswohnungen gehören.
Längst ist der Hauch des Super-Alternativen, der das Viertel einst umwehte, verflogen. Zwar gibt es hier immer noch gute Bars und Livemusik, zwar ist der Camden Market noch immer ein Ort, an dem man Mode und Platten jenseits des Mainstreams finden kann, aber seit vielen Jahren sind die Märkte vor allem eine Touristenattraktion und das Viertel deutlich von Gentrifizierung geprägt. Das beklagt sehr ausdrucksstark und überzeugend auch die Autorin dieses englischen Beitrags über Camden.
Weiterlesen? Dieses Buch könnte Dir gefallen
Wer sich näher für die Geschichte und Kultur von Camden Town und für den Camden Market interessiert, ist vielleicht mit dem Buch „Camden Town: Dreams of Another London“ des Londoner Autors Tom Bolton gut beraten.
Camden Market in London: Tipps für deinen Besuch
Der Camden Market (gemeint ist eine Ansammlung von insgesamt sechs Märkten) im Norden von London zählt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Londons und ist dementsprechend immer gut besucht: Etwa 500.000 Menschen zieht es Woche für Woche nach Camden. Hier ein paar Tipps zur schnellen Orientierung.
Öffnungszeiten
In der Regel sind die Stände auf dem Camden Market London täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Camden Market: Shops
Heute gibt es weit mehr als 1000 Shops auf dem Camden Market. Allein der Stables Market beherbergt etwa 450 Geschäfte. Verkauft werden vorrangig Second-Hand- und Vintage-Kleidung, Schmuck, Möbel und Wohnaccessoires und natürlich Bücher und Platten. Hinzu kommen Hunderte Essensstände mit verhältnismäßig günstigen Spezialitäten aus aller Welt. Hier gibt es eine gute Übersicht mit Adressen der Shops und Essensstände. Einfach auf den jeweiligen Reiter klicken.
Um dem Trubel aus dem Weg zu gehen, empfiehlt es sich, den Besuch auf dem Camden Market auf einen Wochentag zu legen. Zwar ist es wahr, dass dann einige Stände geschlossen sind, die Märkte bieten ganz sicher immer noch genug Auswahl. Wer allerdings so richtig in das Marktleben mit allem Drum und Dran eintauchen will und sich nicht so sehr an den Massen stört, kommt dann doch besser am Wochenende.
Anfahrt zum Camden Market
Hinkommen ist ganz einfach: Mit der U-Bahn, genauer: der Northern Line, bis zur Haltestelle Camden Town oder Chalk Farm. Diese beiden Stationen begrenzen die gesamte Fläche, auf der die Marktstände und -gebäude sich befinden.
Buck Street bis Stables Market: Mögliche Route durch Camden
Wer an der U-Bahn-Station „Camden Town“ aussteigt, trifft unweit der Haltestelle zunächst auf den Buck Street Market, einen unüberdachten Bereich mit grünem Schild an der Front, in dem es vor allem Textitilien gibt. (Update, März 2020: Der Buck Street Market wurde im September 2019 wegen der Renovierung der angrenzenden U-Bahn-Station geschlossen und auch nicht in seiner ursprünglichen Form wiedereröffnet.)
Folgt man dann der Camden High Street, landet man hinter der Brücke über den Regent’s Canal auf dem Camden Lock Market. Der Verkauf findet im und um die Markthalle herum statt, es gibt hier viel Handwerkskunst und fantastisches Essen an Streetfood-Ständen.
Wer den Camden Lock Market links liegen lässt, unter der Eisenbahnbrücke mit der Aufschrift „Camden Lock“ hindurch- und die Chalk Farm Road entlangläuft, gelangt irgendwann auf den Stables Market, auf dem sich auch die Amy-Winehouse-Statue befindet. An den überwiegend überdachten Ständen gibt es hauptsächlich Vintage-Kleidung, Antiquitäten und Möbelstücke zu kaufen, rundherum haben sich inzwischen aber auch große Modeketten niedergelassen.
Camden Town: Kommende Veranstaltungen
Veranstaltungskalender gibt es zum Beispiel hier und hier. Es lohnt sich außerdem, die Programme der vielen Clubs in Camden im Auge zu behalten. Zu ihnen gehören: Dingwalls, Koko, Electric Ballroom, Jazz Café, The Underworld, BarFly und Roundhouse – womöglich gibt’s ja während deines Aufenthalts eine gute Show oder ein Konzert, das Dich reizt.
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Warst Du kürzlich auf dem Camden Market in London oder hast einen Spaziergang durch ganz Camden gemacht? Lass mich in den Kommentaren gern wissen, ob die Amy-Kunstwerke noch immer zu sehen sind.
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Hallo Susanne,
ich habe den Film über Amy Winehouse auch im Flugzeug gesehen. Er war hochinteressant und ich habe so vieles über sie erfahren. Camden liebe ich, muss unbedingt mal wieder hin. Herzlichen Dank für die Tipps.
LG
Renate
Was für ein Zufall, und ja, die Doku ist wirklich sehenswert. Ja, wenn’s da nur nicht meist so voll wäre! :)
Hallo, 3mal Londonurlaub und drei mal das gleiche Hostel in Camden in der nähe von St Pancras Station und auch zweimal den pup crawl mit gemacht und lange Nächte gehabt. Hab dort viele Leute kennen gelernt, von Australiern die mal Urlaub von Sonne und Bohrinsel brauchten, ne Neuseeländerin die erst einmal von Vati abstand brauchte bis hin zu 6 totalverrückten Basejumpern die das Beruflich tun oder ein Lehrer aus Glasgow der in der Ferien bis nach London gewandert ist. Als Ziel für nen Urlaub oder länger echt zu empfehlen. Wenn man abends/Nachts durch Camden zieht dann kommt an, z.b. Beim… Read more »
Hallo Stefan, ja, hörte ich auch. In vielen Interviews hat sie von Camden erzählt und wie der Stadtteil sie geprägt hat und dass sie etwas zurückgeben wollte. Also hast Du ein paar der Streetart-Werke jetzt im Jahr 2019 noch gesehen? Das würde mich freuen, wenn wenigstens einige geblieben sind.
sorry kann ich dir leider nicht sagen das letzte mal als ich diese Bilder gesehen habe war 2017 in meinem letzten Aufenthalt in London aber ich kann ja mal vorbeischauen wenn ich nächstes Jahr wieder dort bin.
Achso. Der Beitrag ist ja auch von 2017, als der Streetart-Trail offiziell bestand. Ich denke mir, da wird das eine oder andere Mural überlebt haben. Teil mir das gern mit, falls Du beim nächsten Besuch eines siehst. :)