Zuletzt aktualisiert am 11. Oktober 2022 um 5:52
Unterwegs im Haleakala-Krater, mit den falschen Schuhen und der falschen Einstellung: Eine Tour durch den Vulkan auf Maui brachte mich an meine Grenzen. Dem Wandern habe ich danach erst mal abgeschworen. Für den Rest des Jahrzehnts. Dazu: Tipps und Infos für deine Haleakala-Wanderung.
Wenn ich schlappmache, müssen sie mich mit dem Hubschrauber hier rausholen. Rettung aus der Luft. Zahlt das die HanseMerkur? Ich grinse in mich hinein – Galgenhumor! – und verdränge den Gedanken, ohne ihn mit den anderen zu teilen.
Die Wanderung im Haleakala-Krater auf Maui beginnt
Meine Reise nach Maui ist ein bisschen anders, als ich sie mir vorgestellt habe: Statt den Großteil meiner Zeit unter Palmen zu liegen, reiße ich auf Hawaiis zweitgrößter Insel mein Hiking-Pensum für ein ganzes Jahrzehnt ab. Mit Sarah, Daniel und Martin aus dem Hostel bin ich zu einer Wanderung im Haleakala aufgebrochen – dem Vulkan, der drei Viertel der Fläche Mauis einnimmt. Bis zum Gipfel auf einer Höhe von 3000 Metern sind wir mit dem Mietwagen gefahren, von hier oben aus beginnt die Tour. Sieben Stunden soll das Ganze dauern. Sieben. Stunden.
Der Sliding Sands Trail macht seinem Namen alle Ehre
Ich muss mich zwingen, nicht andauernd auf die Uhr zu schauen. Noch stehen wir am Startpunkt des Pfades, der auf den Grund des Kraters führt – 600 Höhenmeter runter ins Tal. Ein Wegweiser verrät uns seinen Namen: „Sliding Sands Trail“. Drei Augenpaare richten sich erst auf das Schild und dann auf die fünf Jahre alten Adidas-Sneakers an meinen Füßen. „Was denn“, sage ich, „die haben bis jetzt auf jeder Reise ausgereicht!“ Richtige Trekkingschuhe, so was habe ich nicht. Brauche ich auch nicht im Haleakala-Krater, denke ich trotzig.
Und zittere wenig später meinen korrekt beschuhten Hostelfreunden auf dem abschüssigen Sandpfad hinterher. Vor mir bewundert Sarah die weite Hügellandschaft. Ich stelle währenddessen fest, dass sich das letzte bisschen Profil meiner Turnschuhe irgendwo zwischen Rom und Vancouver verabschiedet hat. Mein Blick klebt am Boden, vorsichtig setze ich meine Füße auf die winzigen Steine. Und verkrampfe mit jedem Schritt mehr. Ich schwitze, weil die Sonne vom Himmel brennt, aber kaum wandern wir durch die Wolkendecke hindurch, lässt kühler Wind mich frösteln.
Irgendwann kann ich ihn nicht mehr ignorieren: den Schmerz in meinem Bein. Ein alter Bekannter, immer mal wieder klopft er an, um mich an die angeborene Gelenkfehlstellung zu erinnern, die vor Jahren aufwändig zumindest auf einer Seite operiert und seither von mir konsequent verdrängt worden ist. Bis zu 17 Zentimeter messen meine Narben an Oberschenkel und Hüfte, die für immer ihre Geschichte erzählen. Der Schmerz kommt selten und bleibt nie lange, aber ausgerechnet hier, ausgerechnet jetzt, beim Wandern auf Maui, lässt er sich einfach nicht zum Teufel jagen.
Wandern im Schwarz-Weiß-Film
Immerhin geht es nicht mehr ganz so steil bergab. Ich sehe mich um. Aus dem hellen Sand ist rotbraunes Geröll geworden. Am Horizont ragen dunkle Berge in die Höhe. Vor ihnen wabern Wolkenfetzen wie Nebel, manchmal kann man ihre Silhouetten nur erahnen. Wäre ich hier allein, ich würde mir in die Hosen machen.
Mein Blick fällt auf die silbernen, kugelförmigen Gewächse am Wegesrand, sie leuchten wie nachkoloriert im Schwarz-Weiß-Film. Silversword heißt die Pflanze, Daniel hat uns schon im Auto von ihr erzählt. Sie wächst nirgendwo sonst auf der Welt, nur hier, im Haleakala-Krater. Silberne Härchen auf ihren Blättern schützen sie vor Licht und Kälte. So kann sie fünfzig Jahre alt werden. Und blühen, ein einziges Mal, ganz am Ende ihres Lebens. Dann wird sie bis zu zwei Meter groß. Dann wachsen ihre lila Blüten mitten hinein in die Weltuntergangskulisse – dem eisigen Wind zum Trotz. Und allen anderen Widrigkeiten. Die haben sie nur noch schöner gemacht.
Ich zurre meinen Schal fest und balle meine Hände in den Ärmeln meines Pullis zu Fäusten. Es ist kalt, als wir den Grund des Kraters erreichen. „Malerisch!“, sage ich. Sarah lacht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, wir stehen auf dem Mond. Lavagesteinsbrocken auf grau-braunem Grund, sonst ist hier nichts. Den Pfad kann ich nicht mehr erkennen. Ich vertraue Martin und Daniel, die sich alle viertel Stunde über eine Karte beugen. Jedes Mal bin ich froh über die kurze Pause.
So kann ich Kraft sammeln für den Aufstieg. Zum Sonnenuntergang wollen wir wieder oben sein. „Wie lange meinst du, brauchen wir noch?“, frage ich Martin nach den ersten paar Metern bergauf. „Anderthalb Stunden?“ schätzt er. Ich schlucke.
Als anderthalb Stunden um und wir noch lange nicht oben sind, komme ich auf meinem Tiefpunkt an. Ich kann nicht mehr. Ich friere. Das Stechen in meinem Bein zwingt mich, alle paar Meter stehen zu bleiben. Die Abstände zwischen uns werden immer größer. Daniel kann ich schon lange nicht mehr sehen, Sarah wird in der Ferne immer kleiner. Martin läuft etwa dreißig Meter vor mir, er wartet, bis ich auf seiner Höhe bin.
Heulen im Haleakala
Ich schicke ihn wieder vor. Er soll meinetwegen nicht den Sonnenuntergang verpassen. Er soll vor allem meine Tränen nicht sehen. Jede Sekunde könnte ich losheulen, vor Schmerz, vor Erschöpfung, vor Wut. Wut auf mich selbst, weil sich alles in mir sträubt und ich dem nichts, gar nichts, entgegenzusetzen weiß. An einem Gedanken halte ich mich schließlich fest: Ich habe keine andere Wahl, als weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Egal, wie lange das hier noch dauert: Meine Beine tragen mich ans Ziel.
Die Sonne verschwindet fünf Minuten nach meiner Ankunft am Gipfel. Orange-rot leuchten die Wolken, über denen wir stehen. Der Schmerz, die Kälte, die Erschöpfung, in diesem Augenblick sind sie vergessen. „Don’t worry about a thing cos every little thing is gonna be alright“, singt Bob Marley im Auto auf der Rückfahrt. Recht hat er. Aber wandern geh ich so schnell sicher nicht wieder.
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Halaekala auf Maui: Infos zum Vulkan und Nationalpark
Wie in der Geschichte erwähnt, ist der Haleakala auf Maui riesig. Heißt konkret: Der Vulkan hat einen Höhe von 3055 Metern und erstreckt sich auf 49 Quadratkilometern, der Krater allein hat einen Umfang von 34 Kilometern und zählt damit zu den größten der Erde. Es ist bisher unklar, wann der Haleakala zuletzt ausgebrochen ist. Lange nahm man an, zum letzten Mal sei er im Jahr 1790 aktiv gewesen, neuere Untersuchungen legen aber nahe, dass dies eher schon im Zeitraum von Mitte des 15. bis Mitte des 17. Jahrhunderts der Fall war.
Seit 1961 ist der Haleakala – sein Name bedeutet übrigens „Haus der Sonne“ – Teil eines eigenständigen Nationalparks. Zum Haleakala-Nationalpark zählt auch das Biologiereservat Kīpahulu, das sich etwas abgelegen an der Küste im Südosten der Insel befindet. Das gemeindefreie Gebiet ist auch nicht direkt vom Haleakala aus, sondern nur über die Küstenstraße in etwa vier Stunden Fahrt zu erreichen. Aus dieser Richtung führt die „Road to Hana“ nach Kīpahulu, die vielleicht berühmteste und spektakulärste Straße von ganz Hawaii. Auch in Kīpahulu gibt es Wanderwege, Wasserfälle und einen Zeltplatz. Speziell zu Kīpahulu gibt es hier Informationen.
Zurück zum Haleakala: Auf dem Gipfel des Vulkans stehen allerhand Teleskope und andere Gerätschaften. Wegen der klaren und trockenen Luft, die hier herrscht, eignet sich der Standort besonders gut für astronomische Messungen. Berühmt ist der Vulkan auch wegen der bereits in der obigen Geschichte erwähnten endemischen Pflanze namens Silversword. Sie gehört zur Gattung der Sonnenblumen und ihr Fortbestehen ist heute leider stark gefährdet. Die Parkwächter tun alles, um die einzigartige Pflanze zu schützen. Wichtig ist auch, dass Wanderer sich der Pflanze nur vorsichtig nähern und aufpassen, wo sie hintreten.
Anfahrt, Tickets etc.: Tipps für die Wanderung im Haleakala-Krater
- Zum Haleakala mit dem Auto: Der Haleakala ist super angebunden, über eine gut ausgebaute Straße gelangt man zu seinem Gipfel. Die meisten Tourist:innen fahren, wie wir, mit einem Mietwagen oder im Rahmen einer gebuchten Tour zum Gipfel hinauf und beginnen dort ihre Wanderung auf einem der verschiedenen Wanderwege hinab ins Kraterbecken. Der berühmteste ist sicherlich der „Sliding Sands Trail“, der am Parkplatz des Visitor Centers beginnt. Auf den Wanderwegen gelangt man zu den drei schlichten Unterkünften im Haleakala-Krater. Die drei „Wilderness Cabins“ heißen Holua, Kapaloa und Paliku und sind schnell ausgebucht. Eine frühzeitige Reserverierung ist daher ratsam. Es gibt darüber hinaus zwei Zeltplätze im Haleakala-Nationalpark, von denen einer, der „Hosmer Grove Campground“, sich auf 2134 Metern Höhe im Vulkan befindet.
- Besonders schön soll der Sonnenaufgang am Gipfel sein. Viele machen es aber auch wie wir und finden sich nach der Wanderung zum Sonnenuntergang am Haleakala-Gipfel auf Maui ein.
- Heute muss man seine Wanderung zum Haleakala Sonnenaufgang vorher online reservieren. Mehr Infos zu Reservierung und Tickets hat Anita travelita.ch. Ihren Beitrag rund ums Wandern auf Maui und die Insel an sich lege ich euch wegen der unfassbar schönen Fotos ohnehin ans Herz.
- Erfahrenen Wander-Fans muss ich die folgenden Hinweise sicherlich nicht geben, aber: Wappnet euch für krasse Temperaturwechsel auf dem Weg in den Haleakala-Krater. Während der siebenstündigen (gut, in unserem Fall siebenstündig) Wanderung steht man mal in der sengenden Sonne und im nächsten Moment im eiskalten Wind oder Sprühregen. Wichtig sind Sonnenschutz und Kopfbedeckung, wetterfeste, warme Kleidung und natürlich vernünftiges Schuhwerk.
- Falls du nicht so der Wander-Fan bist und dich nach meiner Geschichte fragst, wie schwer und anstrengend der Haleakala-Hike ist, bedenke: Ich bin nicht unbedingt der Maßstab. Wie sicherlich aus dem Text hervorgeht, habe ich es zum Einen nie so sehr mit Wandern gehabt und leide zum anderen unter einem Gelenkproblem, nämlich einer schweren Hüftdysplasie. Die ist mittlerweile zwar auf beiden Seiten erfolgreich operativ behoben und schränkt mich im Alltag nicht ein, bei starker Belastung merke ich sie aber schon. Zur Orientierung empfehle ich dir folgenden Beitrag auf travelpins.at: Bloggerin Cori berichtet dort von ihrer Haleakala-Wanderung und schreibt eingangs, der Weg sei weder spektakulär, noch sonderlich herausfordernd. Sie ist allerdings auch Physiotherapeutin und kommt aus der Steiermark, ist also Wandern in einiger Höhe gewöhnt. Vielleicht liegt die Wahrheit für die Mehrheit der Besucher:innen irgendwo zwischen ihrem und meinem Erleben.
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Schöner Text,so ehrlich u.nicht geschminkt!Ich liebe es,wie Du schreibst.Deine treueste Leserin…
Danke!
Hallo Susanne, erst einmal freuen wir uns, dass Du es auch ohne einen Hubschraubereinsatz gesund und munter vom Vulkan geschafft hast :-) Gern wollen wir Deine - nicht ganz ernst gemeinte - Frage “Zahlt das die HanseMerkur?” beantworten: In der Tat hätten wir Dich bei einem notwendigen stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus per Hubschrauber gerettet - wenn Du denn bei uns mit einer Jahresauslandskrankenversicherung versichert bist. Aber zum Glück haben ja eigentlich “nur” Deine Schuhsohlen ambulante Versorgung benötigt. Wir freuen uns jedenfalls, dass Du sogar noch am anderen Ende der Welt und in luftigen Höhen an uns denkst. Wir wünschen… Read more »
Auch nicht schlecht. :) Vielen Dank!
Hi Susanne,
vor einer Stunde habe ich durch Zufall deinen Blog entdeckt und komme gar nicht mehr davon weg. Du hast nicht nur außergewöhnliche Reisen hinter dir, sondern auch einen tollen Schreibstil! Ich bin zum Beispiel begeistert von dieser Story, denn wer macht schon solche Erfahrungen? Toll, dass du es letztendlich trotz deiner Erschöpfung und Schmerzen geschafft hast!
Werde ab jetzt mal öfter hier vorbeischauen :-)
Liebe Grüße,
Lilly
Liebe Lilly,
Was für ein nettes Feedback, vielen Dank! Da geht mir ja das Herz auf! Freue mich sehr, dass Du da dabei bist. Hin und wieder musst Du Geduld mit mir haben, aber es werden noch viele Geschichten folgen.
Und zwischendurch findest Du mich ja auch bei Facebook, Twitter und Instagram.
Liebe Grüße zurück!