Zuletzt aktualisiert am 27. Januar 2023 um 10:16
Obwohl er vor mehr als 2500 Jahren im Norden des Landes geboren wurde, hat der Buddhismus Indien nicht allzu stark geprägt. Trotzdem erzählen buddhistische Pilgerstätten bis heute von der Entstehung und Verbreitung der viertgrößten Weltreligion. Ich habe drei dieser heiligen Orte besucht. (Auf Einladung*)
Im Oktober 2016 durfte ich an der „International Buddhist Conclave“ teilnehmen, einer mehrtägigen Veranstaltung rund um den Buddhismus in Indien, seine Lehre und sein kulturelles Erbe.
Buddhismus in Indien: Zu Besuch bei drei Pilgerstätten
Fast 300 Mönche, Reiseveranstalter und Medienvertreter aus aller Welt sind der Einladung der indischen Regierung nach Delhi gefolgt, um von dort aus drei der wichtigsten buddhistischen Pilgerstätten im Norden des Landes zu besuchen. Sie heißen:
- Bodhgaya (auch: Bodh Gaya)
- Sarnath
- Nalanda
Wo alles begann: Der „Baum des Erwachens“ in Bodhgaya
Buddha kam 567 v. Chr. als Siddhartha Gautama im Nachbarland Nepal zur Welt, in einem Ort namens Lumbini, gleich hinter der heutigen Grenze. Der Buddhismus aber wurde 35 Jahre später im Norden Indiens geboren – unter einem Baum, so sagt es die Legende.
Sechs Jahre lang war Siddhartha bis dahin als Asket durch die Gangesebene gepilgert. Er suchte eine Antwort auf die Frage, was den Menschen von seinem Leid erlöst. Schließlich ließ er sich unter einer Pappelfeige nieder und erlebte beim Meditieren die endgültige Befreiung von allen negativen Gefühlen. Aus Siddhartha wurde Buddha, der „Erwachte“. Seine neue Lebensweise und seine buddhistische Lehre waren geboren.
Der Bodhi-Baum, der heute in Bodghaya steht, soll der fünfte Nachfolger jener Pappelfeige sein, unter der Buddha einst saß. Der eingezäunte, breit gewachsene Baum steht dort nicht etwa auf freier Fläche, wie ich es mir vorgestellt hatte, sondern auf dem Gelände des Mahabodhi-Tempels – einer 55 Meter hohen Gebetsstätte, die ursprünglich im zweiten Jahrhundert erricht wurde, um an den Ort von Buddhas Erwachen zu erinnern. Der Tempel musste über die Jahrhunderte mehrfach neu gebaut und restauriert werden und zählt seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Rundherum stehen kleinere und größere Stupas, zwischen denen immer wieder die orangefarbenen oder roten Kutten von Mönchen leuchten. Einige von ihnen gehen langsam im Uhrzeigersinn um den Tempel herum, vorbei an mit Blumenketten geschmückten Buddha-Statuen und Steinmauern. Andere meditieren oder praktizieren den Sonnengruß in Richtung des Bodhi-Baums, unter dessen Ästen und Zweigen Mönche singen.
In Sarnath gab Buddha seine Lehre erstmalig weiter
Nachdem Buddha das Erwachen erlangt hatte, wollte er sein Wissen weitergeben. Der Überlieferung nach kam er in Sarnath mit fünf Freunden zusammen, die ihn schon in den Jahren seiner Askese begleitet hatten. Sie wurden seine ersten Schüler und die ersten Mönche im buddhistischen Orden. Sie erlebten in Sarnath auch Buddhas erste Predigt. Vor ihnen sprach der „Erwachte“ zum allerersten Mal über die „Vier Edlen Wahrheiten“, die die Grundlage des Buddhismus und seiner Lehre bilden.
In Sarnath stehen alte Klostermauern, Säulen und ein Tempel. Den genauen Ort, an dem Buddha erste Lehrrede hielt, markiert der 35 Meter hohe „Dhamekh Stupa“. Vor ihm zünden Besucher Kerzen und Räucherstäbchen an, weiter hinten auf der Wiese singen Mönche.
Sarnath bildet mit seiner Ruhe den größtmöglichen Gegensatz zu Varanasi, die heiligste Stadt der Hinduisten. Sie liegt nur etwa zehn Kilometer entfernt und hat mich mit ihrem Chaos und den öffentlichen Totenverbrennungen, die hier tagtäglich am Ufer des Ganges stattfinden, sprachlos gemacht.
Die Universität Nalanda lehrte den Buddhismus in Indien
Der „Erwachte“ selbst soll zwar einige Jahre in Nalanda verbracht haben, doch erst lange nach seinem Tod, vom fünften bis zum zwölften Jahrhundert, stand hier, im heutigen Bundesstaat Bihar, etwa 15 Kilometer entfernt von Rajgir, eine buddhistische Universität. An diesem Ort lehrten und lernten mehr als 1000 Professoren und 10.000 Schüler die Weisheiten Buddhas. Damit war Nalanda das größte Lehrzentrum der damaligen Zeit. Erst seit 2016 steht die Ruinenstadt auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten.
In der riesigen, gepflegten Anlage befinden sich die Reste von elf Klöstern und sechs Tempeln. Auch die gut erhaltenen Zimmer der Studenten können wir betreten, in ihnen ist es angenehm kühl.
Ab dem 10. Jahrhundert verließ der Buddhismus Indien schließlich, beziehungsweise wurde nach und nach aus seinem Geburtsland verdrängt. (Zur Verbreitung des Buddhismus weiter unten mehr.) Doch bis heute erzählen diese drei Orte eindrucksvoll die Geschichte der viertgrößten Weltreligion. Was die buddhistischen Pilgerstätten außerdem eint: Sie sind Orte der Ruhe und Stille in diesem rundherum lauten, wuseligen Land.
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Buddhismus kurz erklärt
Lord Buddha kam als Siddhartha Gautama im nepalesischen Lumbini zur Welt. Der Buddhismus wurde allerdings in Indien geboren, wie es auch der obige Text verdeutlicht. Buddha war am Tag seines „Erwachens“ 35 Jahre alt. Seine Lehre breitete sich zunächst in ganz Indien aus, verschwand von dort aber ab dem 10. Jahrhundert allmählich wieder. Der Buddhismus konnte in Indien auch nie mehr dieselbe Bedeutung erlangen, die er zuvor in seinem Geburtsland innehatte. Dafür jedoch verbreitete er sich in vielen anderen Ländern auf dem asiatischen Kontinent.
Verbreitung
Von Indien aus gelangte der Buddhismus zunächst nach Sri Lanka, in den Nahen Osten, auf die griechischen Inseln und nach Makedonien. Von Südasien fand Buddhas Lehre schließlich über Sri Lanka Verbreitung in Südostasien - in Kambodscha, Thailand, Myanmar und Laos. Im Norden Asiens fand sie in Tibet, China, Japan und Korea besonderen Anklang.
Anhänger
Um die 450 bis 500 Millionen Anhänger soll der Buddhismus heute haben, die Länder mit der stärksten Verbreitung sind China, Südkorea, Taiwan, Thailand, Myanmar, Mongolei, Laos, Bhutan, Japan, Sri Lanka, Kambodscha und Vietnam. Im heutigen Indien hingegen macht der Anteil der Buddhisten an der Gesamtbevölkerung nicht mal mehr einen Prozent aus.
Buddhismus: Regeln, Lehre, Rituale
Im Buddhismus gibt es keine Götter. Auch Lord Buddha betrachtete sich selbst weder als „Gott“ noch als Stellvertreter irgendeines Gottes. Es gibt allerdings sogenannte „Bodhisattvas“, das sind Menschen, die das Erwachen erlangt haben, sich jedoch aus Mitgefühl wieder „erden“ (die endgültige Befreiung von allem Leid also hinauszögern), um andere Menschen auf dem Weg in die Erlösung zu begleiten und die buddhistische Lehre weiterzugeben. Man verehrt sie, bringt ihnen Opfergaben und bittet sie um Rat und Segen, als Götter gelten Bodhisattvas aber nicht. Buddha selbst betonte immer wieder, dass letztlich jeder Mensch seine Erkenntnisse gewinnen kann. Der Buddhismus folgt zwar einigen Regeln, Dogmatismus lehnte der „Erwachte“ jedoch strikt ab und mahnte seine Anhänger immer wieder dazu, festen Glaubenssätzen mit Skepsis zu begegnen.
Buddhas Lehre heißt „Dharma“. Kern und Basis des „Dharma“ sind die „Vier Edlen Wahrheiten“, nämlich die edle Wahrheit über das Leiden, die edle Wahrheit über die Ursache des Leidens, die edle Wahrheit über die Beendigung des Leidens und die edle Wahrheit über den Pfad der Ausübung, der zur Beendigung des Leidens führt. Die vierte edle Wahrheit zielt auf den „Edlen Achtfachen Pfad“ ab, der ebenfalls ein zentrales Element der buddhistischen Lehre darstellt. Er ist eine Anleitung zum Erlangen der Erlösung. Eine gute Übersicht über die einzelnen Bestandteile und Verhaltensweisen bietet Wikipedia. Eine der Grundhaltungen des Buddhismus ist die Achtsamkeit, das „Sich-Versenken“. Meditation ist bekanntermaßen eines der zentralen Rituale im Buddhismus und prägt die Lebensweise seiner Anhänger.
Verschiedene Schulen
Es haben sich über die Zeit verschiedene Richtungen im Buddhismus herausgebildet. Die bekanntesten buddhistischen Schulen heißen Theravada, Mahayana, Zen-Buddhismus, Vajrayana und Tibetischer Buddhismus, wobei Theraveda die ursprünglichste und der Zen-Buddhismus zu den neueren Weiterentwicklungen zählt. Innerhalb dieser Gruppen gibt es weitere Unterteilungen. Alle Schulen jedoch richten sich nach den „Vier Edlen Weisheiten“ und dem “Edlen Achtfachen Pfad“.
Wer sich zu allem, was ich hier bislang erwähnt habe, eine genauere Einführung wünscht (aber auch nicht knietief in die Materie einsteigen will), empfehle ich das Buch „Der kleine Taschenbuddhist“ von Bettina Lemke. Darin wird Einsteigern das Wichtigste in Kürze erklärt, sehr verständlich noch dazu.
Wird im Buddhismus Weihnachten gefeiert?
Laut Google stellen viele Menschen sich diese Frage. Die Antwort: Eigentlich spielt Weihnachten im Buddhismus natürlich keine Rolle. Buddhisten haben ein eigenes ähnlich großes Fest: Vesakh heißt der höchste buddhistische Feiertag, er wird am ersten Vollmondtag im Mai gefeiert. Die Menschen zelebrieren an diesem Tag die Geburt, das Erwachen und die Erlösung Buddhas. Das Vesakh-Fest (auch: Visakha Puja) hat insofern gewisse Parallelen mit Weihnachten, zumal es, wie der deutsche Buddhist in diesem Beitrag betont, bei beiden Festen um Umbrüche gehe: Weihnachten als Winterfest zeige an, dass die Tage im Jahr bald wieder länger würden, während Vesakh in asiatischen Ländern den Umbruch von der Trocken- zur Regenzeit markiere – und das sei eben im Mai der Fall. Aber auch wenn Weihnachten aus religiöser Sicht für sie keine Bedeutung hat, feiern viele Buddhismus-Anhänger im Westen das Fest der Liebe mit.
Am Schluss noch ein Link-Tipp: Auch hier geht’s um Buddhismus in Indien.
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*Offenlegung: Ich wurde im Rahmen des „International Buddhist Conclave“ von „Incredible India“ nach Indien eingeladen.
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Sehr informativer und schöner Artikel. Vor allem dass in Indien die größte Lehrstätte der damiligen Zeit stand war mir völlig neu.
Vielleicht etwas haarspalterisch von mir, aber das 500-1200 n.Chr. ist doch eher Mittelalter und nicht Antike oder?
Hallo Georg,
danke! Nein, gar nicht haarspalterisch. Viel eher: Danke für den Hinweis, Du hast vollkommen Recht. Ich bin bisher nicht einmal drüber gestolpert, weil es überall heißt (auch vor Ort habe ich es so gehört), es sei das größte Lehrzentrum der „antiken Welt“ gewesen. Das ist wirklich missverständlich. Die Antike reicht, lese ich, bis ins sechste Jahrhundert n. Chr.. Das würde ja dann für die ersten Jahre, in der die Universität stand, noch passen. Allerdings bezieht sich der Begriff Antike sich auf den Mittelmeerraum. Nun weiß ich auch nicht. Ich werde das ändern und „damalige Zeit“ draus machen. Danke!
Wow! Was für beeindruckende Bauten! Danke für den informativen und schön bebilderten Bericht!
Danke, Corinna!
Liebe Susanne,
toller Bericht und super Fotos. Ich finde es immer toll, wenn man kleine Videos einbindet, das vermittelt die Stimmung noch mal ganz anders.
Liebe Simone,
Vielen Dank, das freut mich! Dann kann ich vielleicht wirklich öfter mal eins einbinden. Hab’s eigentlich nicht so mit Videos, aber in diesem Fall macht es sich anscheinend ganz gut.