Zuletzt aktualisiert am 11. Oktober 2022 um 5:56
Auswandern nach Kanada, davon träumen viele. Christian (34) ging vor vier Jahren nach Vancouver. Der ausgebildete Geologe liebt die vielfältige Landschaft in seiner Wahlheimat und dass sein Wohnort Vancouver so freundlich, bunt und multikulti ist. Den kanadischen Lebensstil hat er längst angenommen, aber bei einem Thema ist er bis heute deutsch geblieben. Hier erzählt Christian von seinen Erfahrungen.
Dass ich nach Kanada ausgewandert bin, hat letztlich mit meinem Beruf zu tun. Ich bin Geologe. In Deutschland gibt es für meinen Geschmack in diesem Bereich wenige interessante Stellen. Meist läuft es auf einen Bürojob hinaus. Das hat mich einfach nicht gereizt.
Auswandern nach Kanada: Christians Erfahrungen
Klar wurde mir das nach meinem Praktikum in Australien. Das war 2007, während meines Studiums. Da habe ich acht Wochen lang im “Arkaroola Wilderness Sanctuary”, einem Naturschutzgebiet 700 Kilometer nördlich von Adelaide, exploriert. Explorieren – darunter verstehen Geologen die Suche nach Rohstoffvorkommen in der Erdkruste. Landschaftlich war das ein Traum – Gestein in den verschiedensten Rottönen, unberührte Natur. Danach wusste ich: Ich will raus, ich will buddeln, ich will dreckig werden bei der Arbeit.
Nach dem Studium hätte ich mir vorstellen können, nach Australien zurückzugehen. Ich bekam aber kein neues Arbeitsvisum. Also setzte ich mir etwas Neues in den Kopf: Auswandern nach Kanada. Tatsächlich fand ich wenig später über das Internet eine Firma, die einen Geologen in Vancouver suchte. Beim Vorstellungsgespräch über Skype saß ich mit einem Din-A-4-Zettel voller Stichpunkte vor dem Rechner. Ich kam gar nicht dazu, sie anzusprechen. Nach fünf Minuten sagte mein neuer Chef: „Ok, Christian. Ich freu mich auf dich!“
Das Leben in Kanada beginnt mit Work and Travel
Im April 2011 ging’s rüber, zunächst mit einem Working-Holiday-Visum. Mein erstes Projekt führte mich ins Yukon-Territorium im äußersten Nordwesten von Kanada. Die Landschaft im Yukon ist atemberaubend. Ich war zur Zeit der Mitternachtssonne da – der Himmel, die Berge, alles leuchtete in warmen Farben, aber dunkel wurde es die ganze Nacht nicht. Da oben habe ich das Zeitgefühl manchmal völlig verloren. Einmal war ich um 20 Uhr mit Kollegen zum Grillen verabredet. Ich war vollkommen in die Arbeit vertieft. Irgendwann riefen die anderen auf dem Satellitentelefon an. Wo ich denn gewesen sei? Da war es schon halb zwei.
Die Wochen im Yukon vergingen, und mein Alltag in Vancouver begann. Vancouver, das war Liebe auf den ersten Blick. Ich komme aus Filderstadt bei Stuttgart, da wohnen 45.000 Menschen. Sehr große Städte mochte ich noch nie. Einmal habe ich einen Freund in Berlin besucht – und war froh, als ich wieder abfuhr. Zu erdrückend. Vancouver ist anders. Zwar kommt die Stadt einem riesig vor, wenn man inmitten der Hochhäuser in Downtown steht. Aber das täuscht. Eigentlich ist sie ein Dorf. Und man hat die Natur vor der Haustür: Berge, Meer, Regenwald – alles quasi um die Ecke.
Über Umwege zum neuen Job in Vancouver
Hier wollte ich leben und tatsächlich richtig auswandern. Doch leider stellten sich die Daten aus dem Yukon als wenig vielversprechend heraus. Die Firma ließ das Projekt fallen – und mich auch, weil sie im Winter keinen Geologen brauchte. Wenig später fand ich wieder eine Stelle. Das neue Unternehmen wollte mich jedoch für ein Projekt ins Ausland schicken. Doch so lange mein Antrag auf mein Dauervisum nicht durch war, konnte ich nicht einfach nach Kanada ein- und ausreisen, wie es mir beliebte.
So kam es, dass ich eine Weile arbeitslos war. Da ließ ich mich auf ein Abenteuer ein: Über Craigslist fand ich eine Anzeige von einem Thunfisch-Fischer aus Vancouver der einen Deckhelfer suchte. Captain Gray war Anfang 60 und ungeheuer charismatisch, so ein richtiger Seebär mit tiefer Stimme. Und noch dazu ein herzensguter Kerl. Bei unserem ersten Treffen fragte er mich, ob ich leicht seekrank werde. „Weiß nicht“, antwortete ich ihm, „ich war noch nie mit so einem Boot auf hoher See.“ Zur Not gebe es ja Tabletten, meinte der Captain.
Zwei Wochen lang haben wir das Boot im Hafen hergerichtet, dann ging’s raus auf See. Bis 300 km südwestlich von Vancouver Island sind wir gefahren. Es war unbeschreiblich schön, morgens an Deck zu gehen, wenn der Pazifik vollkommen still da lag. Oder von Dutzenden Walen und Delfinen umringt zu sein. Diese Wochen auf dem Meer werde ich nie vergessen.
Was Christian an seinem Leben in Vancouver liebt
Inzwischen habe ich meine Aufenthaltsgenehmigung und will hier nicht mehr weg. Ich liebe mein Leben in Kanada. Besonders die Sommer in Vancouver: Die letzten drei waren durchgehend schön von Juni bis Ende September. Bei so gutem Wetter fahre ich gern mit dem Fahrrad um den Stanley Park, Vancouvers wunderschönen Stadtpark, herum und an den Stränden entlang – am besten gleich eine große Runde über die ganze Seawall, die Ufermauer, die sich um den Park bis in die Stadt hinein erstreckt. Außerdem gefällt mir, dass die Stadt so multikulti ist. Kaum jemand hier ist ursprünglich aus Vancouver und fast jeder hat Freunde aus aller Herren Länder. Eine bunte Gesellschaft, alle möglichen Nationen leben hier friedlich zusammen.
Beim Thema Geld bin ich noch sehr deutsch. Zwar zahle auch ich inzwischen fast überall mit Karte. Das ist hier so üblich: Die Leute tragen kein oder nur wenig Bargeld mit sich herum. Aber ich habe ein Problem damit, Schulden zu machen. Hier in Kanada es gang und gäbe, einen Kredit aufzunehmen und abzuzahlen, selbst wenn man keinen braucht. Auch mein Bankberater rät mir dazu, denn sonst bekomme ich im Zweifel später keinen, wenn ich doch mal mehr Geld brauche. Ich finde das absurd.
Zurzeit arbeite ich in einem Lager für E-Zigaretten-Bedarf mit angeschlossenem Labor. Die Arbeit macht mir Spaß. Langfristig ist das Ziel aber, irgendwann wieder als Geologe zu arbeiten. Und wenn das alles nicht klappt: Jeden Sommer legt Captain Gray mit seinem Boot vom Hafen hier in Vancouver ab. Da würde ich glatt noch mal anheuern.
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Hilfe beim Auswandern nach Kanada: Voraussetzungen und Linktipps
Kanada gilt als offen und einwanderungsfreundlich. Darüber hinaus ist das zweitgrößte Land der Welt bekannt für seinen hohen Lebensstandard, sein fortschrittliches Gesundheitssystem und nicht zuletzt für seine fantastische und vielseitige Natur. So ist es kein Wunder, dass Kanada eines der beliebtesten Auswanderungsländer weltweit ist. Auch viele Deutsche kehren ihrer Heimat jedes Jahr den Rücken, um sich in Kanada ein neues Leben aufzubauen: Laut auswandern-info.com sind im Jahr 2018 fast 2400 Deutsche nach Kanada übergesiedelt. Von 2008 bis 2017 sollen offiziell 30.957 sogar Deutsche dorthin ausgewandert sein, wobei im selben Zeitraum 18.997 nach Deutschland zurück zogen.
Auswandern nach Kanada – Altersgrenze
Wer aus Deutschland kommt und maximal 35 Jahre alt ist, kann, genau wie Christian, zunächst mit einem 12 Monate gültigen Work-and-Travel-Visum einreisen. (Hier auf dem Blog gibt es auch einen Beitrag konkret zum Thema Work and Travel in Kanada.)
Ansonsten gibt es beim Auswandern nach Kanada keine Altersgrenze, allerdings kommt seit 2015 ein Punktesystem zum Einsatz. 67 Punkte muss man mindestens, 100 Punkte kann man maximal erziehen. Personen zwischen 21 und 49 Jahren können bis zu zehn Punkte für das Alter erreichen. Wer jünger oder älter ist, bekommt Punktabzug, aber natürlich ist das Auswandern nach Kanada als Renter auch möglich.
Gesuchte Berufe
Viele Interessenten, die gern nach Kanada auswandern möchten und keinen kanadischen Ehepartner haben, bewerben sich für den „Permanent Residence Status“. („PR“). Das bedeutet, sie versuchen, als „skilled worker“ im Land Arbeit zu finden. Idealerweise sind sie auf einem Fachgebiet ausgebildet, in dem in Kanada ein Mangel herrscht. Wer den begehrten „PR-Status“ innehat, kann sich drei Jahre nach der Ausstellung übrigens auch um die kanadische Staatsbürgerschaft bewerben.
Die besten Chancen haben Bewerber:innen, die auf ihrem Fachgebiet schon einige Jahre Berufserfahrung gesammelt haben. Gesuchte Berufe in Kanada sind unter anderem medizinische Berufe, zum Beispiel Arzt, Krankenschwester oder Krankenpfleger, Physiotherapeut:in. Gute Chancen haben außerdem Architekt:innen, Hotel- und Restaurantfachkräfte und Handwerker wie Schweißer, Schlosser, Klempner. Mehr Informationen rund um das Thema Arbeit finden und gesuchte Berufe in Kanada gibt es hier.
Geld und Sprachkenntnisse
Wer sich entscheidet, nach Kanada überzusiedeln, muss über ein gewisses Eigenkapital verfügen. Laut dieser Quelle sollten Singles umgerechnet etwa 10.000, Familien mit zwei Kinder 19.000 kanadische Dollar vorweisen können.
Gute Englisch- oder Französischkennntnisse, also gute Kenntnisse zumindest einer der beiden kanadischen Amtssprachen (besser beide) grundlegend. Die Eignung der Anwärter:innen wird seit 2015 wie gesagt mit einem Punktesystem bewertet, bei dem neben dem Alter, der Berufserfahrung und weiterer Qualifikationen auch die sprachlichen Fähigkeiten eine Rolle spielen. Essenziell für den Bewerbungsprozess um das Visum ist natürlich auch, dass die Kandidat:innen einen kanadischen Arbeitgeber finden, die ihnen eine Arbeitsstelle anbieten. Ohne eine feste Stelle sind die Chancen auf den „Permanent Resident Status“ heute gleich null, wie dieser Beitrag über Kanadas neue Einwanderungspolitik nahelegt.
Auf auswandern-info.com gibt es genauere Hinweise zu Einreisebestimmungen und dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung für Kanada. Auch auslandslust.de informiert übersichtlich über Möglichkeiten, nach Kanada auszuwandern. Man kann zum Beispiel auch ein Aufenthaltsrecht bekommen, wenn man im Land investiert. Doch die Möglichkeit, ein Investoren-Visum zu bekommen, hat der Großteil der Interessenten selbstverständlich nicht, ebenso wenig wahrscheinlich wollen sie als Privatier nach Kanada auswandern.
Weitere Erfahrungen von Auswanderern
Um Einblicke in das Leben in Kanada zu bekommen – und zwar vor allem durch die Brille von Menschen, die zuvor ebenfalls in Deutschland oder Europa gelebt haben – ist es ratsam, Erfahrungsberichte von Auswanderern zu lesen zu sehen. Ein paar Empfehlungen kommen hier:
- Bloggerin Irene hat Kanada zwar gerade verlassen, sie hat allerdings bis vor Kurzem mehrere Jahre in Toronto gelebt. Auf ihrer Seite hat sie in vielen Beiträgen ausführlich von ihren Erfahrungen als Auswanderin in Kanada erzählt.
- Auswanderer Hagen lebt im Frasier Valley im Großraum Vancouver, erzählt hier von seiner Wahlheimat und gibt ein paar tolle Tipps.
- Bei YouTube gibt es auch was: Ein Vlog von einer jungen Frau namens Liz, die nach Vancouver gegangen ist und hier ihre Erfahrungen schildert.
- Auch ich habe zehn Monate in Vancouver gelebt. Neben dem oben bereits verlinkten Post mit meinen Erfahrungen und Tipps zum Thema „Work and Travel“ in Kanada habe ich unter anderem auch über die East Hastings Street in Vancouver, Kanadas Drogenviertel, und über das Arbeiten in einem deutschen Restaurant in Vancouver geschrieben. Viele meiner Texte sind allerdings persönliche Geschichten, der Informationsgehalt ist dementsprechend oft eher gering. Hoffentlich kann ich mit ihnen dennoch zumindest ein paar Eindrücke vermitteln.
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Auswandern nach Kanada – oder anderswohin: Hast Du ähnliche Erfahrungen? Warst Du auch eine Weile im Ausland oder bist sogar ausgewandert? Erzähle mir Deine Geschichte! Schreib mir eine E-Mail an susanne@fluegge-blog.de
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Man liest irgendwie schon raus,daß Du Dich mit dieser Liebe auf den ersten Blick sehr identifizierst!?Schön auf den Punkt gebracht,weiter so!Deine treue Leserin.
Für mich war Vancouver auch “Liebe auf den ersten Blick”, keine Frage - aber das sind allein Christians Worte. :)
Schön geschrieben von Christian! Seine Offenheit, auch mal andere Jobs anzunehmen und seine Standards in der Jobsuche nicht nur auf seine eigentliche Profession zu beschränken, hat ihm dann ja wirklich so einige Erfahrungen ermöglicht.
Er spricht in seinem Beitrag auch von einem “Dauervisium” - welches meint er da genau? So wie ich es verstehe, hat er es ohne sponsoring eines festen Arbeitgebers bekommen? Hast du da nähere Informationen zu oder kann man Christian auch persönlich erreichen?
Grüße aus Maastricht, Jan
Hi Jan, vielen Dank (wobei ich die hier Poträtierten interviewe und den Text dann selbst verfasse, aber egal). Ich meine, er spricht von der Permanent Residency, die dann vorerst für fünf Jahre gilt. Ich kann ihn gern fragen, ob Du ihm einfach mal eine Mail schreiben kannst. Grüße zurück!